Mehr als 2 Punkte geht doch!

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OK, auf dem Papier sind es natürlich nicht mehr als 2 Punkte, die die Rhein-Neckar Löwen durch den Sieg beim SC Magdeburg verbucht haben. Aber nicht zuletzt sind es die Löwen selbst, die in ihrem Spielbericht davon schreiben, dass dies “mehr als 2 Punkte” sind. Und tatsächlich: In mehrerlei Hinsicht war das mehr als einfach nur ein Spiel.

Die stärkste Sieben

Die Löwen beginnen mit ihrer vermeintlich stärksten Sieben: Appelgren im Tor, Gensheimer, Lagarde, Schmid, Kirkeløkke, Groetzki und Kohlbacher im Angriff, Abutovic für Schmid in der Abwehr. Die Anfangsphase gehörte denn auch den Löwen, die sich von der Kulisse nicht beeindrucken ließen, auch wenn zunächst die Magdeburger in Führung gingen. Nach dem 2:1 für den SCM übernahmen die Löwen dann aber wirklich die Initiative. Beeindruckend für mich, wie beweglich, aggressiv und hellwach die Abwehr der Löwen war!

Das war dunkelrot! Gab’s nicht.

Böse, üble Szene nach 4:45 Minuten! Bezjak versucht, ein Stürmerfoul von Lagarde zu ziehen, schiebt aber die Schulter zum Kinn von Lagarde und schleudert seinen linken Arm noch gegen dessen Kopf. Sich dann noch zu beschweren über die Zwei-Minuten-Strafe – lächerlich! Das war keine harte Aktion, das war weit drüber! Da war Bezjak noch gut bedient!

Da Appelgren hinten drin sehr stark hält können sich die Löwen nach elf Minuten auf 5:9 absetzen. In dieser Phase wirkten die Löwen sehr reif und sehr abgeklärt. Die Auszeit, die der SCM kurz danach nahm, kam zum für sie richtigen Zeitpunkt und brachte tatsächlich eine kleinen Bruch ins Spiel der Löwen. Magdeburg nutzte das aus und konnte in der Minute zum 9:9 ausgleichen. Dabei waren die Löwen vorne nicht mehr so beweglich wie zuvor, nahmen sich mittelprächtige Halbchancen und scheiterten.

Mehr als 2 Punkte in Gefahr

Das war eine Zeit im Spiel, bei der man schon ein wenig bibbern musste. Zumindest konnte einem schon die Frage in den Sinn kommen, ob die Löwen als Mannschaft schon so weit sind, in einer extrem lauten und emotionalen Halle eine solche Situation wegzustecken. Beim 8:9 kam Guardiola in der Abwehr für Kohlbacher und ging mit Abutovic in den Mittelblock. Auch wenn der SCM erst noch den Ausgleich erzielen konnte war diese Maßnahme eine ganz wichtige Entscheidung von Löwen-Trainer Kristján Andrésson! Nein, Lagarde war nicht schlecht neben Abutovic, aber Guardiola brachte wieder ein Plus an Stabilität rein.

Hervorragend, wie die Löwen in dieser Situation agierten! Das wirkte wieder gereift und abgeklärt. Folgerichtig konnten die Löwen wieder auf 9:12 davon ziehen. Dass das Löwenteam tatsächlich noch Zeit braucht merkte man in der Phase danach. Fäth war im Angriff für Lagarde gekommen, ging in der Abwehr für Guardiola raus, während Kohlbacher Abwehr/Angriff spielte. “Ohne Schieris habt ihr keine Chance!” tönte es von den Rängen. Dazu schreibe ich besser nichts …

Gegenhalten!

Das wurde eine heiße Schlussphase der Halbzeit! Aus einem 10:13 machten die Magdeburger ein 13:13, ehe Jannik Kohlbacher mit Treffer Nr. 7 den Halbzeitstand von 13:14 herstellte. Für den neutralen Zuschauer war das bis dahin sicher ein emotionales, rassiges, intensives und richtig gutes Handballspiel. Für mich als Fan der Löwen war es ein Auf und Ab, ein ständiger Wechsel zwischen Hoffen und Bangen.

Das Halbzeitinterview vergessen wir besser

Hallo Sky, hört doch auf mit solchen Halbzeitinterviews! Was sollte denn Moritz Preuß zu der Situation mit Bezjak sagen? Was er sagte war genau das, was ich erwartet hatte. Klar haust du deinen Mitspieler nicht in die Pfanne. Ich bin mir aber sicher, dass Preuß die Situation für sich selber anders eingeschätzt hatte. Die Zeitstrafe als überzogen zu bezeichnen ist, mit Verlaub gesagt, lächerlich!

Was kommt nach der Halbzeit?

Alles wie gehabt: Dieselbe Formation wie in Halbzeit 1 fing an. Von der Wechsellust, von der Verteilung der Spielanteile, die Andrésson sonst so gut hin bekommt, war also nur wenig zu sehen. Um zwei oder gar mehr als 2 Punkte zu holen mussten die Löwen nochmal eine Schippe drauflegen, und dabei wollte Andrésson wohl in erster Linie einer einigermaßen eingespielten Formation vertrauen. Fällt das unter Flexibilität?

Wie auch immer: Die Löwen waren weiterhin sehr aufmerksam und flott in der Rückzugsbewegung, ließen die Magdeburger damit nur schwer ins Rollen kommen. In dieser engen Phase schafften es die Löwen, aus einem 15:14 ein 15:16 zu machen. Doch dann kam ein erneuter Bruch ins Spiel der Löwen. Die SCM-Abwehr legte zu, wurde aggressiver, und die Löwen warfen in fünf Angriffen hintereinander viermal den Ball zum Gegner. Vier Mal! Junior und ich haben den PC-Bildschirm angebrüllt, obwohl der ja nix dazu konnte.

Wechselspiele für mehr als 2 Punkte

Wenn du mehr als 2 Punkte willst brauchst du einen starken Torhüter. Als solcher erwies sich Appelgren, der zumindest eine Chance der Magdeburger wegnehmen konnte. Und du brauchst einen Trainer, der Ideen hat. Die richtigen Idee, natürlich! Nach dem 17:16 für Machdeburch brachte Andrésson Mensah für Lagarde und Petersson für Kirkeløkke, außerdem Guardiola für Kohlbacher in der Abwehr. Eine sehr gelungene Maßnahme, die allerdings erst mit Verzögerung wirkte. Auch wenn es zunächst sehr eng blieb und der SCM jeweils vorlegen konnte blieben die Löwen dran. Ja, der SCM ging bis auf 20:18 und auf 21:19 weg (42. Minute). Kirkeløkke, der wegen einer Zeitstrafe für Petersson gekommen und geblieben war, ging wieder raus, und das war der Startschuss für eine beeindruckende Schlussviertelstunde der Löwen.

Denn wie die Löwen auf den Rückstand reagierten war eines Toptteams würdig. In Magdeburg wieder in die Spur zu finden ist ein echtes Statement! Das ist dieses “Mehr” in “mehr als 2 Punkte”. Aus dem 21:19 wurde ein 21:23, und dann ein 22:24. Auszeit SCM.

Der Prophet Bennet liegt daneben

Die Ansage von SCM-Trainer Bennet Wiegert, dass nun ein 4:0-Lauf des SCM folgen wird, war … nun ja … nicht so wirklich zutreffend. Ja, es gab das 23:24, doch die Löwen antworteten. 23:25 Schmid, Bezjak erzielt das 24:25, Hornke per Siebenmeter das 25:25. Das Spiel war zu diesem Zeitpunkt also wieder völlig offen. Kurze Zeit später konnte Palicka das 27:27 durch Hornke per Siebenmeter nicht verhindern, aber die Löwen gingen durch eine Pirouette von Mensah mit 27:28 erneut in Führung. Nachdem die Schiedsrichter ein Offensivfoul von Damgaard ahndeten blieben die Löwen vorne völlig ruhig und schlossen durch Kohlbacher zum 27:29 ab. Und das mit nur noch rund drei Minuten auf der Uhr.

Zeitstrafe für nix

Nun handelte sich Kohlbacher eine Zeitstrafe für nichts ein. Oder zumindest für nicht viel. Jedenfalls war es kein Gesichtstreffer gegen Damgaard, der zusätzlich noch zu einem Siebenmeter führte. Dann die wohl spielentscheidende Szene. Palicka kam erneut für den Siebenmeter rein, trat erneut gegen Hornke an, aber dieses Mal blieb Palle der Sieger! Da der Abpraller bei Mensah landete hatte die Löwen die große Chance, mit einem eigenen Treffer die Weichen endgültig auf Auswärtssieg zu stellen.

Nielsen kam vorne für Kohlbacher. Die Löwen spielen abgeklärt und ruhig weiter, Schmid schürbelt den Ball irgendwie an den Innenpfosten und ins Tor – Auszeit SCM nach 58:36 Minuten beim Spielstand von 27:30. Als Gensheimer einen Pass von Bezjak – kein Tippfehler – fängt und Groetzki den Gegenstoß sicher zum 27:31 verwandelt ist das Spiel endgültig entschieden. Das 28:32 durch Mensah macht den Erfolg der Löwen perfekt.

Das waren wirklich mehr als 2 Punkte!

Wie schon geschrieben gibt es in der Tabelle auch für diesen Erfolg nur zwei Punkte. Aber gefühlt sind das mehr als 2 Punkte, und das aus mehr als einem Grund. Zum einen war es für Andrésson der erste Erfolg mit den Löwen gegen ein Top-3-Team der letzten Saison. Außerdem war es der erste Auswärtssieg in einem der bisherigen Duelle der Meisterschaftsanwärter Kiel, Flensburg, Magdeburg und Löwen untereinander. Kiel gegen Flensburg, Flensburg gegen die Löwen, Magdeburg gegen Kiel – alles Heimsiege.

Dass Andrésson von seiner sonstigen Praxis des häufigen Wechselns abgewichen ist kann ein Hinweis für die Zukunft sein. Dass er so wenig wechseln wird, wie es Jacobsen gemacht hat, kann ich mir allerdings nicht vorstellen. Doch der aktuell, an diesem Tag stärksten Formation zu vertrauen ist nicht verkehrt.

Was noch bemerkenswerter ist: Die Löwen, die sicher noch in der Findungsphase sind, haben eine große Bewährungsprobe bestanden. In einer lauten, feindlich gesonnenen, hoch emotionalisierten Halle ein enges Spiel mit etlichen Wellen gegen einen starken Gegner zu gewinnen dürfte den Reifungsprozess der Mannschaft voran treiben.

Nochmal mehr als 2 Punkte?

Damit der Erfolg in Magdeburg auch dauerhaft mehr als 2 Punkte Wert ist sollten die Löwen am besten noch bei der MT Melsungen bestehen. Bereits am Donnerstag geht es nach Kassel, und das dürfte nicht viel einfacher werden.

Aber diesen Löwen traue ich den nächsten Auswärtscoup absolut zu! Und der würde wohl erneut mehr als 2 Punkte Wert sein.