Neuzugänge, die die Löwen nicht weiter bringen. Oder doch?

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Wie ich bereits in meinem letzten Artikel geschrieben habe, gibt es derzeit immer wieder z.T. heftige Kritik an den Rhein-Neckar Löwen. Die Kritik an den einzelnen Positionen hatte ich bereits beschrieben, und meine Sicht der Dinge dazu dargestellt. Daher soll es heute gezielt um die Neuzugänge der Löwen gehen, sowie etwas ausführlicher um die Außenpositionen. Was da teilweise zu lesen und zu hören ist …

Vier plus eins Neuzugänge

Wenn wir über Neuzugänge reden, dann soll hier nicht die Rede sein von den beiden jungen Linksaußen Lion Zacharias und David Móré. Beide kommen aus der Jugend der Löwen, hatten auch vorher schon Einsätze bei den Profis. Es geht hier um die “echten” Neuzugänge. Vier davon kamen zu Beginn der neuen Saison: Gustav Davidsson (Schwede, 23), Jon Lindenchrone Andersen (Däne, 26), Arnór Snær Óskarsson (Isländer, 23) und Steven Plucnar Jacobsen (Däne, 23). Außer Lindenchrone waren dies alle Neulinge in der HBL, und das ist nicht unbedeutend.

Vier plus eins Neuzugänge sind es, weil wegen der Verletzung von Philipp Ahouansou und der erneuten Operation bei Halil Jaganjac Andreas Holst Jensen (Däne, 29) nachverpflichtet werden musste. Ihn hatte ich im letzten Artikel bereits erwähnt, und auch wenn er zuletzt kam, soll es zuerst um ihn gehen.

Holst als Heilsbringer

Vielleicht ein wenig überzogen, aber mir scheint es so zu sein, dass einige die Rolle von Holst falsch einschätzen. Woraus sich das begründet? Auf seiner Leistung im European League Heimspiel gegen HBC Nantes. In diesem Spiel erzielte er sechs Treffer (bei acht Versuchen) und war ein wichtiger Faktor für den Sieg. Mehrfach konnte ich danach die Frage hören und lesen, warum er denn sonst so wenig spielt. Nun, in der HBL liegt er bei 4 von 14 (28,57%). Er konnte in den HBL-Spielen bisher noch nicht nachweisen, dass er dort eine echte Verstärkung sein kann. Dass er wenig bis gar nicht spielt, ist unbestritten. Doch auch dafür gibt es wohl Gründe. Die Trainer sehen ihn ja jeden Tag im Training.

In der Abwehr sind andere sicher vor ihm, und den Abwehr-Angriff-Wechsel mit ihm zu spielen scheint schwierig zu sein. Daraus ergibt sich recht schnell, dass es eine bestimmte Konstellation sein muss, in der er erfolgreich sein kann. Wirklich erfreut bin ich darüber auch nicht. Von einer Nachverpflichtung erhoffst du dir ja normalerweise mehr, aber wenn der Markt nicht mehr her gibt, dann nimmst du eben den, der von allen noch am besten machbar erscheint. Das ist nun nicht despektierlich gemeint! Es ist nur so, dass es für die nicht sehr umfangreichen Einsatzzeiten Holsts eben durchaus Gründe gibt.

Der Erfahrene unter den Neuzugängen

Die Verpflichtung von Jon Lindenchrone Andersen können einige nach wie vor nicht nachvollziehen. Zu viele technische Fehler (17, und das bei überschaubaren Einsatzzeiten), zu wenig Erfolg beim Torwurf (56,10%; btw. der exakt selbe Wert wie beim deutschen Nationalspieler Luca Witzke vom SC DHfK Leipzig) – warum wurde er verpflichtet? Vielleicht hilft ein Blick in die Statistiken der Saison 2021/22, seiner ersten bei Frisch Auf Göppingen. OK, 50 technische Fehler sind ordentlich viel, und eine Wurfquote von 56,98% ist nur unwesentlich besser als seine bisherige Bilanz bei den Löwen. Seine 77 Assists allerdings bescherten ihm in dieser Statistik immerhin Rang 15 in der HBL! Derzeit steht Lindenchrone bei 18 Assists. Nicht schlecht, denn auch hier gilt es zu beachten, dass seine Einsatzzeiten bisher begrenzt waren.

Ich denke, dass insbesondere sein Blick für den Nebenmann und seine Fähigkeit, diese in gute Wurfposition zu bringen, die Löwen davon überzeugt hat, ihn zu verpflichten. Zumal ich seine Abwehrleistungen nicht ganz so schlecht einschätze. Hier fehlt es Lindenchrone einfach an der Feinabstimmung, wie bei den anderen Neuzugängen auch. Was angesichts eines aufgrund von Verletzungen immer wieder neu zusammengewürfeltem Rückraum nicht verwunderlich ist.

Neuzugänge in doppelter Hinsicht

Damit komme ich zu den Spielern, die gleich in doppelter Hinsicht Neuzugänge darstellen: Neu bei den Löwen, und neu in der HBL. Gleich vorab: Gerade der zweite Punkt ist ein nicht zu unterschätzender Faktor. Diese drei Neuzugänge sind Gustav Davidsson (RL/RM), Steven Plucnar Jacobsen (KM) und Arnór Snær Óskarsson (RR). Werfen wir erstmal einen Blick auf den Neuzugang, der bisher am häufigsten gespielt hat: Gustav Davidsson. Er kam als MVP der Handballsligan, der obersten schwedischen Liga, zu den Löwen. Wie Jennifer Kettemann im neusten Löwenfunk verriet, war es gar nicht geplant, Davidsson so viel spielen zu lassen. Doch die Verletzungen von Ahouansou und Jaganjac machten es notwendig, dass Davidsson oft zum Einsatz kam.

Das ist eine wichtige Information, wenn es um die Beurteilung seiner Leistungen geht. Davidsson sollte an das Niveau der HBL herangeführt werden, sollte punktuell Erfahrungen sammeln. Von daher ist es, zumindest für mich, nicht verwunderlich, dass er bereits 29 technische Fehler zu verzeichnen hat. Seine 27 Assist sind allerdings nicht verkehrt. Wenn er es dann im Lauf der Zeit hinbekommt, nicht mehr so ungestüm zu sein – er wirkt auf mich manchmal etwas überhastet – dann werden wir Löwen-Fans noch viel Freude an ihm haben. Dasselbe gilt natürlich auch für die anderen “doppelten” Neuzugänge, so auch für …

Die Kreisläuferkante

Junge, Junge, ist Steven Plucnar Jacobsen eine Kante! Zwei Meter groß, 107 Kilogramm, das ist schon beeindruckend. Weniger beeindruckend sind seine bisherigen Einsatzzeiten. Er kommt selten bis nie auf die Platte, und wenn, dann mehrfach nur in der Abwehr. Er machte dort, soweit ich das sehen konnte, seine Sache recht ordentlich. Manchmal scheint es mir ein wenig Probleme mit schnellen Kreuzungen der Gegner zu haben. Vorne trat er bisher lediglich beim Spiel in Lissabon mal für längere Zeit auf. Dort machte er als Vertreter für den erkrankten Jannik Kohbacher seine Sache aber ziemlich gut, traf vier Mal bei sechs Versuchen.

Bei ihm gilt dasselbe wie bei Davidsson (und auch bei Óskarsson): Wenige Einsatzminuten gehören zum Plan, die Löwen- und HBL-Neuzugänge langsam heran zu führen. Plucnar (gesprochen: Plutznar, nicht Pluknar!) ist immer einer der ersten, die beim Aufwärmen auf die Platte kommen, und er ist immer voll bei der Sache. Geben wir als Fans ihm die Zeit, die ihm die Löwen geben, um zu lernen und zu wachsen.

Neuzugänge, Teil V

Nun fehlt uns noch Arnór Snær Óskarsson in der Betrachtung der Neuzugänge der Löwen. Bei ihm fällt eine Einschätzung noch schwerer als bei den anderen. Schließlich kommt er zu noch weniger Einsatzzeiten als die anderen Neuzugänge. Zudem schaffte er es beim Auswärtsspiel gegen die MT Melsungen noch nicht mal auf den Spielberichtsbogen. Er hat sicher gute Anlagen, denn nicht umsonst kam er in der letzten Saison in der European League auf 65 Tore, womit er Top-Scorer seines Teams Valur Reykjavik war. Er kann es also. Und nun? Keine Einsatzzeiten? Ein Flop, ein Fehleinkauf?

Kein Scherz: Dieses “fachlich fundierte” Urteil war schon über alle Neuzugänge zu lesen und zu hören. Für ihn gilt jedoch, vielleicht sogar noch mehr als für die anderen: Er braucht Zeit! Gerade die Tatsache, dass er bei Valur fast keine Abwehr gespielt hat, ist etwas, was die Löwen noch werden einordnen und in ihren Gameplan einbeziehen lernen müssen. Darüber hinaus ist er mit seinen gerade mal 1,80 m Körpergröße und luftig leichten 82 kg Lebendgewicht eher schmächtig. Vielleicht muss er an Masse noch etwas zulegen? Wie auch immer: Die Zeit wird es zeigen, ob er wesentliche Spielanteile bekommen wird.

Neuzugänge für den schnellen Erfolg? Eher nicht.

Noch einen Punkt, den Jennifer Kettemann in der oben bereits erwähnten Folge des Löwenfunks richtig stellte, gilt es zu beachten. Bei allen Neuzugängen ging es nicht um den schnellen Erfolg. U.a. um das Gehaltsgefüge nicht zu sprengen, haben die Löwen Abstand genommen von richtigen “Transfer-Krachern”. Die Neuzugänge sind allesamt eingebunden in den Fünf-Jahres-Plan, den die Löwen mit Beginn der Zeit von Sebastian Hinze als Trainer gestartet haben. Mehr als nur einmal wurde gerade vor und zu Beginn der letzten Saison von Vereinsseite darauf verwiesen, dass die Löwen innerhalb von (drei bis) fünf Jahren wieder ganz oben angreifen wollen.

Wer dann meint, dass die Neuzugänge sofort voll einschlagen müssen, der hat meiner Meinung nach diesen Plan nicht verstanden. Junge, hungrige, vielversprechende Spieler aufzubauen, sie früh in die Mannschaft zu integrieren und ihnen nach und nach mehr Spielanteile, mehr Verantwortung zu übertragen, klingt für mich nach einem durchdachten und guten Plan. Dass darüber hinaus dadurch die Kasse geschont wird – Transfer-Kracher sind für gewöhnlich teuer – ist auch nicht zu verachten. Schließlich war die Corona-Zeit für die Löwen, wie auch für andere, keine einfache Zeit. Und die Löwen hatten schwer zu kämpfen, wenn man die Berichte in den letzten Jahren aufmerksam verfolgte und manches Mal zwischen den Zeilen las.

Noch mehr Neuzugänge?

Anders gefragt: Gibt es weitere Nachverpflichtungen, wie Andreas Holst Jensen? Zunächst einmal ist derzeit noch offen, ob Holst nicht vielleicht doch bis Saisonende bleibt. Der ursprüngliche Plan war ja, dass er bis Jahresende verpflichtet wird. Schauen wir mal, was sich da tut. Und sonst? Warum sollten die Löwen noch jemanden verpflichten? Das alles intern zu lösen, evtl. auch über die eigene Jugend oder die Drittligamannschaft, erscheint mir sinnvoller als kurzfristige Notlösungen. Ob sich durch weitere Verletzungen eine andere Situation ergibt, bleibt natürlich abzuwarten.

Noch was zu den Außen

Uwe Gensheimer langzeitverletzt, Patrick Groetzki aktuell auch raus (könnte aber vielleicht nächste Woche bereits wieder spielen), kein etatmäßiger zweiter Rechtsaußen im Kader – was für eine fahrlässige Fehlplanung! So war zu hören und zu lesen, aber ist dem auch so? Fangen wir auf der linken Außenbahn an. Dass Gensheimer lange ausfallen wird, war zu Saisonbeginn klar. Die Löwen haben aber nicht hektisch, und auch nicht sorgsam überlegend, nach hochkarätigem Ersatz gesucht. Es hätte aus meiner Meinung nach auch nicht in den bereits erwähnten Fünf-Jahres-Plan gepasst. Erneut kann ich hier nur auf den Löwenfunk mit Jennifer Kettemann verweisen, in dem sie auch diesen Punkt angesprochen hat.

Dass es ein Risiko ist, mit zwei so jungen Linksaußen zu spielen – Zacharias ist 20, Móré 19 – bestreitet niemand. Schwankungen in den Leistungen kommen in dem Alter normalerweise häufiger vor als bei altgedienten Spielern. Dennoch vertrauen die Löwen auf die beiden jungen Hüpfer, und sie sind bereit, diese Schwankungen auszuhalten. Sieht man dies mit Blick auf einen mittel- bis langfristigen Plan, so sollte es jedem klar sein, dass die beiden – und damit auch die Löwen – davon profitieren können.

Und damit zum fehlenden, gelernten Rechtsaußen hinter Groetzki. Wo ist das Problem, was daran ist eine Fehlplanung? Groetzki verpasste in den Spielzeiten von 2018/19 bis 2022/23 gerade mal 10 von 166 Spielen (3/0/4/2/1). Ein Muster an Ausdauer, könnte man sagen. Hier darauf zu setzen, dass Groetzki auch weiterhin zuverlässig mitmachen kann, erscheint mir keineswegs fahrlässig zu sein, sondern ein kalkuliertes Risiko. Zumal mit Lindenchrone oder auch Niclas Kirkeløkke zwei Spieler für den rechten Rückraum da sind, die auch ordentlich auf Rechtsaußen aushelfen können. Zuletzt war dann auch Niklas Michalski wieder in Mannheim, der mit einem Zweitspielrecht ausgestattet ist und ansonsten bei der SG BBM Bietigheim spielt. Und ganz, ganz selten kam sogar Arnor Snær Óskarsson auf der rechten Außenbahn zum Einsatz.

War’s das mit der Kritik?

Nicht ganz. Zu allem, über das ich in diesem und dem letzten Artikel geschrieben habe, kommt noch die Kritik am Verein, an der Vereinsführung, an der Kommunikation, an der Transparenz hinzu. Zu viel, um es auch hier noch abzuhandeln. Ihr werdet also, wenn es euch interessiert, wohl oder übel auch den nächsten Artikel lesen müssen, der morgen um 17:00 Uhr erscheint.