Eigentlich wollte ich erst nach dem nächsten Spieltag eine kleine Zwischenbilanz der Löwen erstellen. Doch da nun eine Länderspielpause ansteht, und da die Rhein-Neckar Löwen den Sprung an die Tabellenspitze geschafft haben, ziehe ich diese Zwischenbilanz vor. Ist ja auch eine schöne Momentaufnahme, und von daher eine gute Gelegenheit. Oder ist das mehr als nur eine Momentaufnahme?
Der (fast) vogelwilde 22. Spieltag
Meine Güte, was war das für ein 22. Spieltag in der Liqui Moly HBL! Los ging es am Donnerstag, als die Löwen gegen Wetzlar eine erste Halbzeit aufs Parkett legten, die hart an der Grenze zur Perfektion war. Sage und schreibe 21 von 22 Würfen fanden ihren Weg ins Tor der Gäste, Ganze acht Gegentore in den ersten 30 Minuten, Appelgren mit sieben gehaltenen Bällen überragend – Löwenherz, was willst du mehr? Damit lagen die Löwen, nach Minuspunkten gerechnet, auf Platz 3 der Tabelle. Nur die Füchse (fünf Minuspunkte) und der THW Kiel (sechs Minuspunkte) lagen vorne. Der SC Magdeburg hatte ebenfalls sieben Minuspunkte, aber zwei Spiele weniger und nicht zuletzt deshalb eine deutlich schwächere Tordifferenz. Das war schon eine sehr schön Momentaufnahme.
Und dann kam der Sonntag. Im Topspiel zeigte sich der SCM in Topform und überrollte förmlich die Füchse. Phasenweise lagen die Bördestädter mit 10 Toren vorne, ehe am Ende ein 24:29 auf der Anzeigetafel stand. Auf die Tabelle hatte dieses Ergebnis die Auswirkung, dass nun der THW (wieder nach Minuspunkten bereinigt) auf Platz 1 stand, die Löwen auf Platz 2 und die Füchse auf 3 sowie der SCM weiter auf Platz 4.
Bevor ich es vergesse …
… noch etwas zu den anderen Spielen vom Donnerstag und Sonntag. Im schwäbischen Derby TVB Stuttgart gegen Frisch Auf! Göppingen gab es ein schiedlich-friedliches Unentschieden, was keinem so richtig hilft, aber auch keinem so richtig weht tut. Der Bergische HC setzte sich nach hartem Fight mit 34:32 gegen GWD Minden durch, die mehr und mehr Richtung 2. Liga rutschen, die ich aber dennoch nicht ganz abschreiben möchte. Dafür scheint mir noch zu viel leben in der Mannschaft zu sein. Ein Hoch auf Trainer Frank Carstens, vor dessen Leistung in Minden ich enormen Respekt habe. Dann war da noch das Duell des VfL Gummersbach gegen die MT Melsungen. Tja, was soll ich sagen? Das Endergebnis von 31:23 für den VfL spricht Bände. Die MT-Fans mögen es mir verzeihen, aber Melsungen ist für mich der Inbegriff der identitätslosen Mannschaft. Ob das jemals anders wird?
Auch der HC Erlangen fällt für mich zumindest teilweise in diese Kategorie. Das 31:31 gegen den TBV Lemgo-Lippe hilft den Lipperländern mehr als dem HCE. Dass sich die TSV Hannover-Burgdorf erst am Ende und nur mit 30:26 gegen den ASV Hamm-Westfalen durchsetzen konnte ist ein Zeichen dafür, dass der ASV trotz nahezu aussichtsloser Situation langsam, aber sicher steigert. Die SG Flensburg-Handewitt schließlich gewann mit 34:32 gegen den HSV Hamburg und hielt dadurch Anschluss an die ersten vier Plätze. Und sie verkürzten den Rückstand auf Platz 1, denn da gab es ja noch das Spiel des THW Kiel gegen den SC DHfK Leipzig.
Das grüne Wunder in der Wunderino Arena
Sapperlott, das war ein Ding! Gewinnen die Leipziger doch tatsächlich beim THW, und das absolut verdient. Ein echter Paukenschlag, aber nicht ganz ohne Vorankündigung. Schließlich hatte der SC DHfK zuvor bereits den SCM geschlagen. Mit dem 34:31 klettert Leipzig nun auf Platz 7 der Tabelle. Eine tolle Momentaufnahme für den SC! Respekt, liebe Leipziger, und vielen Dank für eure Schützenhilfe!
Dank des Erfolgs der Leipziger in Kiel liegen damit nämlich die Löwen tatsächlich auf Platz 1 der Tabelle, und zwar sowohl, was die Plus- als auch, was die Minuspunkte angeht. Von diesen beiden Top-Leistungen dürfen sich die Leipziger beim ersten Spiel nach der Länderspielpause übrigens gerne ein wenig erholen.
Eine phänomenale Momentaufnahme!
Ich bin mir sehr sicher: Hätte jemand vor der Saison einem beliebigen Löwen-Fan gesagt, dass das Team nach 22 gespielten Partien auf Platz 1 der Tabelle liegt, dann hätten vermutlich mindestens 99% das sehr gerne genommen, aber daran geglaubt hätten wohl nur die allergrößten, komplett unverwüstlichen Optimist:innen. Dazu zähle ich mich nicht. Bei meinem Blick in die Glaskugel – die übrigens komplett kaputt ist; ich brauche eine neue – hatte ich die Löwen am Ende der Saison auf Platz 8 gesehen. Insgeheim hatte ich natürlich auf mehr gehofft, vielleicht sogar auf die Qualifikation für die European League. Aber dass es so gut laufen würde? Never ever!
Mir ist natürlich bewusst, dass das nur eine Momentaufnahme ist, auch wenn es eine sehr schöne Momentaufnahme ist. Es kann im letzten Dutzend Spiele noch so viel passieren! Für die Löwen heißen die Gegner bis Saisonende Leipzig (Auswärts), HSV (Heimspiel), Lemgo-Lippe (A), Gummersbach (H), Füchse (A), THW (H), Melsungen (A), Magdeburg (H), Hannover (A), Erlangen (H), BHC (H) und Flensburg (A).
Mehr als eine Momentaufnahme?
Sind die Löwen schon gut genug für die Meisterschaft? Ist die aktuelle Platzierung der Löwen mehr als nur eine Momentaufnahme? Ganz ehrlich: Wenn die Löwen verletzungsfrei bleiben und niemand in ein Leistungsloch fällt, dann ist wirklich alles möglich. Es muss aber unglaublich viel zusammen passen. Die Bank der Löwen ist dünner besetzt als die der anderen Top-Teams. Das könnte sich negativ auswirken, wenn es hart auf hart geht, wenn die Stammbesetzung müde wird und eigentlich Entlastung bräuchte. Von daher wird es sehr, sehr schwer, den Platz an der Sonne bis zum Ende des 34. Spieltages zu halten.
Wenn nicht, dann nicht
Der große Vorteil der Löwen: Wenn es nicht mit der Meisterschaft klappt, dann ist das nicht wirklich tragisch. Angesichts der desaströsen Saison 2021/22, angesichts der – zumindest von außen betrachtet – teilweise sehr negativen Entwicklung in verschiedenen Bereichen, wäre bereits die Qualifikation für die European League ein absoluter Hammer! Alles, was noch dazu kommt, egal, was, wäre überragend!
Wie auch immer die Saison enden wird: Die Dauerkarte für nächstes Jahr wird ganz sicher bestellt!