Die neue Champions League! Sie kommt!

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Wie sich vielleicht ein oder zwei Leser dieses Blogs erinnern hatte ich u.a. in meinem letzten Beitrag angekündigt, mal einen Vorschlag zu machen, wie denn die EHF Champions League in Zukunft gestaltet werden könnte. Das spare ich mir jetzt, da es komplett sinnlos ist. Die EHF und das Forum Club Handball (FCH) haben nun am 16.10.2017 ein “Memorandum of Understanding” unterzeichnet. Darin wird für den Zeitraum von 2018 bis 2030 vielerlei festgelegt, wie z.B. Abstellung von Spielern für Nationalmannschaften (inkl.  Regelung von Kompensationszahlungen und der Versicherung), Vermarktungsfragen, bessere Zusammenarbeit zwischen EHF und Vereinen sowie einiges mehr. Auf alles will ich gar nicht eingehend. Mich interessiert in erster Linie die neue Champions League der Männer.

Was bisher bekannt ist in Sachen “neue Champions League”: Zunächst 12 Mannschaften, davon acht aus den Ländern, die im Nationenranking der EHF vorne stehen. Das wären, sollte sich nichts mehr daran ändern im Vergleich zum Ranking für die Saison 2017/18: Deutschland, Ungarn, Spanien, Frankreich, Polen, Dänemark, Slowenien und Mazedonien. Diese Mannschaften spielen, zusammen mit vier weiteren (dazu gleich mehr), in Hin- und Rückspielen die acht Mannschaften aus, die das Viertelfinale bestreiten (mit Hin- und Rückspiel). Die Gewinner der Viertelfinalspiele treten im Final 4 gegeneinander an, um den Champions-League-Titel auszuspielen.

Unterhalb der neuen Champions League soll es statt des EHF Cups eine “European Handball League” geben. In vier Gruppen spielen jeweils sechs Mannschaften in Hin- und Rückspiel gegeneinander. Daran schließt sich ein Achtelfinale an sowie ein Viertelfinale. Abschließend wird ein Final 4 gespielt. Erinnert mich stark an die Champions League vor der aktuell gültigen Reform. Unterhalb dieser “European Handball League” wird es den EHF Cup dann doch wieder geben. Allerdings handelt es sich dann um den Nachfolger des Challenge Cups handeln und durchgängig im K.O.-System gespielt werden.

Wenn die neue Champions League acht Plätze an die Meister der oben genannten Länder vergibt sind noch vier Plätze frei, Wie werden diese vier Plätze vergeben? Dazu habe ich noch nichts gefunden. Ich hoffe, dass es hier bald Informationen dazu gibt. Aktuell kann ich mir verschiedene Szenarien denken.

Szenario 1: Die vier Top-Nationen erhalten einen zweiten Startplatz. Das wäre dann ein zweiter Starter aus Deutschland, Ungarn, Spanien und Frankreich. Vorteil: Einfach und klar geregelt. Nachteil: Vereine aus lediglich acht Nationen sind dabei, wenn die neue Champions League gespielt wird. Das trägt meiner Meinung nach nicht dazu bei, den Handball in möglichst vielen Ländern populär zu machen.

Szenario 2: Die beiden Top-Nationen Deutschland und Ungarn erhalten einen zweiten Startplatz. Die neue Champions League muss dann noch mit zwei weiteren Teams aufgefüllt werden. Das könnten entweder die Meister der Nationen auf Rang 9 und 10 des Rankings sein (2017/18:  Kroatien und Portugal) oder es wird eine Qualifikation gespielt. Oder es gibt eine im Handball recht beliebte Wild Card. Die wird dann nach folgender einfacher Formel vergeben:

[(Anzahl der Facebook-Fans + Anzahl der Follower auf Twitter) / Position im Länderranking] + [(Anzahl der Teilnahmen des Vereins an der Champions League in den letzten 15 Jahren + Anzahl der Teilnahmen am Viertelfinale) + (Anzahl der erzielten Tore in der letzten Champions League Saison geteilt durch Anzahl der verschiedenen Torschützen)] * Schuhgröße des Zeugwarts.

Und jetzt wieder ernsthaft: Wild Card mag ich überhaupt nicht. Das ist immer etwas schwammig. Besser wären klare, sportliche Gründe die vor (!) Saisonbeginn festgelegt und veröffentlicht werden. Außerdem wären in diesem Szenario auch lediglich 10 Länder (maximal) in der Champions League vertreten.

Szenario 3: Die vier noch freien Plätze erhalten die Teams, die im Jahr zuvor in der European Handball League, dem Unterbau für die neue Europaliga, im Final 4 waren, wobei nur ein Team aus einem Land aufrücken kann. Außerdem dürfen in der neuen Champions League nie mehr als zwei Teams aus einem Land spielen. Im Zweifelsfall bräuchte man doch noch eine Wild Card. Kompliziertes und mit allen Möglichkeiten wäre das ein schwer zu vermittelndes Szenario.

Szenario 4: Welche Teams die neue Champions League auffüllen wird von der EHF jedes Jahr hinter verschlossenen Türen festgelegt und in einer zweieinhalbstündigen Zeremonie feierlich verkündet. Ist die einfachste Methode und schließt unerwünschte Unfälle, wie z.B. einen Champions League-Teilnehmer aus der Schweiz oder aus Norwegen, zuverlässig aus. Es dürfte am Schluss wohl auf dieses Szenario hinauslaufen – wie auch immer das dann verklausuliert kommuniziert wird.

Nun denn, so seien es also 12 Teilnehmer. Womit noch nicht das Ende der Fahnenstange erreicht ist, denn mittel- bis langfristig besteht die Möglichkeit, die neue Champions League auf bis zu 16 Teams auszuweiten. Bleiben wir aber bei den zunächst beschlossenen 12 Mannschaften. Was heißt das nun für die deutschen Vertreter (auf die nicht-deutschen Teilnehmer komme ich gleich nochmal zu sprechen)?

Zwölf Mannschaften mit Hin- und Rückrunde bringen für jede Mannschaft 22 Pflichtspiele.. Gegenüber den derzeitigen 14 Spielen in der Gruppenphase der Champions League wären das also acht Spiele mehr. Wo bringt man die im Spielplan unter? Andy Schmid von den Löwen meinte zwar vor kurzem, ihm wären mehr Spiele in kürzerer Zeit mit einer dafür deutlich längeren Pause im Sommer lieber. Nur wird das nicht funktionieren, denn da weiterhin jedes Jahr entweder eine Welt- oder eine Europameisterschaft ansteht und dafür auch Qualifikationen gespielt werden müssen wird da kaum etwas zu machen sein.

Spannend finde ich dabei die Aussage, dass es wohl zwei feste Wochentage geben soll, an denen die Spiele der Europaliga ausgetragen werden sollen. Und das kann nun richtig spannend werden. Was, wenn einer der Tage der Samstag wäre, der derzeit von etlichen Vereinen präferiert wird? Warum sollten nicht-deutsche Vereine auf den Samstag verzichten und statt dessen Mittwoch oder Sonntag akzeptieren? Gilt ein bestimmter Wochentag dann nur für bestimmte Vereine? Noch sind es viele offene Fragen, auf deren Beantwortung wir wohl alle noch warten müssen.

Interessant – oder sollte ich besser sagen: irritierend – finde ich im Zusammenhang mit den zusätzlichen sechs Spielen die Aussage von Thorsten Storm, dem Geschäftsführer des THW Kiel. Er war und ist eine der treibenden Figuren hinter dieser neuerlichen Reform der Champions League. Storm äußerte sich auf die Frage, wie diese zusätzlichen Spiele denn kompensiert werden könnten, in der Online-Ausgabe der Kieler Nachrichten vom 17.10.2017 wie folgt:

„Da müssen Champions League und die Handball-Bundesliga eine Lösung finden. Sonst laufen bald alle Stars aus der Bundesliga weg.”

Öhm … sehe ich das richtig? Da wird eine Reform beschlossen, und DANACH denkt man darüber nach, ob und wie man das für die DKB HBL passend machen kann? Ich bin nicht Geschäftsführer eines Handball-Vereins, und auch im sonstigen Leben nicht. Vielleicht reicht mein Verstand schlicht und ergreifend nicht aus, dass wirklich zu ermessen und zu begreifen. Aber hätte das nicht umgekehrt laufen müssen. Schritt 1: Wie sehen die Pläne für die neue Champions League aus? Schritt 2: Wie bekommen wir das mit der DKB HBL hin? Schritt 3: Zustimmung zur Reform nur, wenn klar ist, dass das auch machbar ist.

Nun ist die Situation anders: Man stimmt der Reform zu, feiert sie als großartig, und muss nun schauen, wie man das hin bekommt. Ich vermute, das passiert nach dem Motto “Vogel (aka DKB HBL) friss oder stirb!”. Alle müssen sich dem THW Kiel (und anderen Top-Vereinen, zu denen ja auch die SG Flensburg-Handewitt und die Rhein-Neckar Löwen gehören) beugen. Es könnte darauf hinauslaufen, dass ein insgesamt funktionierendes Produkt – die DKB HBL – deswegen reformiert (aka verkleinert) werden muss. Kann das im Sinne der deutschen Vereine sein? Im Sinne der Vereine, die nicht europäisch spielen, dürfte das sicher nicht sein.

Damit wir uns nicht falsch verstehen: das ganze ist natürlich eine sehr deutsche Sicht der Dinge. Wie angekündigt daher die Sichtweise, die in den meisten anderen Nationen vorherrschen dürfte. Dort wird die neue Champions League mit hoher Wahrscheinlichkeit recht positiv aufgenommen – zumindest von den Meistern dieser Ligen, denn z.B. diese Saison haben aus Frankreich, Polen, Ungarn und Spanien immerhin jeweils zwei Mannschaften die Chance, sich mindestens ins Achtelfinale der Champions League zu spielen. Das wäre mit der neuen Champions League anders. Klar, bei 24 Clubs in der neuen European Handball League wären diese Teams gut aufgehoben. Aber es ist, auch mit neuem Namen, dennoch “nur” die 2. Liga der europäischen Wettbewerbe. So wie derzeit eben der EHF Cup.

Für die Meister der Länder, die die neue Champions League bilden werden, ist das selbstverständlich attraktiv. 22 sichere Spiele statt bisher 14 sichere Spiele gegen europäische Top-Teams. Das klingt gut und lässt sich in Ländern mit schwacher einheimischer Liga sicher gut vermarkten. Nur: Hilft das auch der einheimischen Liga? Hilft diese neue Champions League einer nationalen Liga wie der in Weißrussland, oder in Schweden, oder in der Schweiz, wenn kein Vertreter in der Champions League auftaucht? Und die nächste Frage, vielleicht sogar die wichtigste Frage: Hilft das dem Handball insgesamt?

Meine Antwort auf die letzte Frage ist ein ganz klares Nein! Ich lasse mich gerne vom Gegenteil überzeugen, aber ich bin äußerst skeptisch. Glaubt man ernsthaft, in Tschechien, oder in Österreich, oder in Italien, oder in Griechenland werden sich plötzlich scharenweise Kinder und Jugendliche in Handballvereine begeben, wenn 12 elitäre Clubs ihre – in der Gruppenphase noch dazu nahezu bedeutungslosen – Spiele absolvieren? Wer das glaubt wird bei der von mir oben vorgestellten Formel auch vehement dafür stimmen, statt der Schuhgröße des Zeugwarts das Alter des Physiotherapeuten zu nehmen. Und er wird es begründen können. Schlüssig und stichhaltig.

Die neue Champions League. Für mich eine Fehlentwicklung hin zu mehr Elite, mehr Abschottung gegenüber kleinen Vereinen und Verbänden. Ich kann das Interesse der großen nicht-deutschen Vereine daran verstehen, damit das klar ist. Dass deutsche Vereine da aber auch mitmachen, ja sogar im Fall des THW Kiels treibende Kraft dahinter sind, ohne die Auswirkungen auf und eine mögliche Vereinbarkeit mit der DKB HBL vorab (!) zu klären, das kann ich nicht verstehen.

In dem Zusammenhang würde mich schon noch interessieren, wie andere deutsche Mitglieder im Forum Club Handball abgestimmt haben. Das müssten laut Website des FCH Füchse Berlin, HSV Handball (sind die echt noch Mitglied?), SG Flensburg-Handewitt, TBV Lemgo, Frisch Auf! Göppingen, VfL Gummersbach, TSV Hannover-Burgdorf, MT Melsungen und natürlich die Rhein-Neckar Löwen sein. Ob diese Vereine etwas verlauten lassen?

An die Adresse der Rhein-Neckar Löwen: Wenn ihr in der neuen Champions League spielen solltet und glaubt, dass ich zu den 17 Heimspielen der DKB HBL auch noch zu allen (mindestens) elf Heimspielen der neuen Champions League gehe, dann habt ihr euch aber geschnitten. Außer ihr stellt mir einen Dukatenesel in den Garten. Unser Garten wäre groß genug dafür.

Wobei mit den neuen Vermarktungsmöglichkeiten sicher so viel Geld in die Kassen der Vereine fließt, dass Zuschauer in der Halle eh nur noch Bonus sind …