Ein Anfang, und hoffentlich noch lange nicht das Ende

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Es ist eine Weile her, dass ich hier etwas geschrieben habe. Wie üblich war einfach zu viel Berufliches und anderes, was mich vom Schreiben abgehalten hat. Und bei manchem Spiel der Rhein-Neckar Löwen ist mir auch schlicht und ergreifend nichts mehr dazu eingefallen. Das Spiel gegen den THW Kiel war ein Anfang, aber ich hoffe sehr, dass das noch lange nicht das Ende war.

Ein kurzer Rückblick

Zuletzt hatte ich mich nach dem Pokalerfolg gegen Frisch Auf Göppingen gemeldet. Darin hatte ich von viel Kampf, viel Leidenschaft, viel Einsatz geschrieben. Und davon, dass dieser Pokalfight viel mehr Zuschauer verdient gehabt hätte. Auf diesen Punkt werde ich später nochmal zurück kommen.

Für die Löwen ging es danach weiter mit einem Heimspiel gegen die HSG Wetzlar. Ein 29:26 stand am Ende auf der Anzeigetafel. Unnötig knapp, aber am Ende zählten die Punkte. Dass da durchaus noch einiges an Sand im Getriebe der Löwen war konnte jedoch niemand übersehen.

Das doppelte Unentschieden

Meine Güte, was war das denn? Zwei Auswärtsspiele, in Erlangen und Hannover, endeten beide mit 29:29. Besser als verloren, ok, aber wie die Unentschieden zustande kamen, das war schon weniger erbaulich. Erlangen ist eh sowas wie ein Angstgegner für die Löwen. Keine Ahnung, warum, denn dass die Löwen besser sind als Erlangen war phasenweise durchaus zu erkennen. Zehn Minuten vor Schluss lagen die Löwen mit 27:24 vorne, und es sah danach aus, dass das ein Anfang für einen Leistungsaufschwung der Löwen ist. Tja, so kann man sich irren.

Am Ende verloren die Löwen nach einer hektischen und teilweise planlosen Vorstellung in den Schlussminuten einen Punkt. Vielleicht verloren die Löwen aber noch mehr, nämlich Sicherheit. Nicht, dass die vorher im Überfluss vorhanden gewesen wäre. Aber von dem wenigen ging sicher noch etwas mehr verloren.

Ein Anfang nach Maß

So lässt sich die Anfangsphase des Auswärtsspiels in Hannover beschreiben. Unheimlich konzentriert, mit einer engagierten Abwehrleistung und Zug zum Tor ging es über 3:9 und 6:11 bis auf 10:15, und die Löwen schienen auf dem besten Wege, den Tabellenführer aus deren eigener Halle zu ballern. Ein Anfang, den man besser nicht hätte haben können. Ob die Löwen davon selber erschrocken waren? Denn plötzlich kamen wieder diese leichten Fehler, und Hannover kam bis zur Pause auf 12:15 heran.

Ein Anfang nach Maß ist ja gut und schön, aber du musst das auch halten können. Konnten die Löwen aber nicht. In der 46. Minute lag Hannover erstmals vorne, hatte die zweite Halbzeit bis dahin mit 12:8 für sich entschieden. Die Löwen beim letzten Angriff in Unterzahl, ohne Torwart, Hannover dann mit einem Mann weniger, und dann war zum Glück wohl ein bisschen zu viel Harz auf dem Ball. Hätte das Spiel eine Sekunden länger gedauert wäre es verloren gegangen, denn beim Wurf auf das leere Löwentor rollte der Ball einen Ticken zu spät (für Hannover) über die Linie. Andy Schmid hatte einen Katastrophenpass in die Hände des Gegners gespielt. Es ehrt ihn, dass er die Schuld für diesen Herzattackenmoment auf sich nahm.

Ein Anfang war gemacht – mehr nicht

Ja, wieder nur einen Punkt geholt, aber die Leistung der Löwen gab Anlass zur Hoffnung. Es war immerhin ein Anfang, dass man beim starken Tabellenführer nicht nur mitgehalten, sondern über einen sehr ordentlichen Zeitraum deutlich die bessere Mannschaft war. Doch dann kam die Reise nach Berlin. Auch so ein (Auswärts-)Gegner, bei dem die Löwen nie wirklich gut aussehen. So auch dieses Mal.

In einem technisch und spielerisch nicht gerade hochklassigen Spitzenspiel blieb es lange eng. Erneut waren es wieder einige Szenen kurz vor der Halbzeit, die den Löwen ein besseres Halbzeitergebnis verwehrten. Ich meine, ein Muster zu erkennen, und es ist kein schönes. Nach der Pause wurde das nicht besser. Mit 12:17 lagen die Löwen hinten, ehe sie sich doch noch aufrappelten. Am Schluss verlieren die Löwen ein Spiel, das sie nicht verlieren mussten. Ärgerlich.

Und jetzt der THW

Vor der Partie am Donnerstag hatte ich gesagt, dass die Löwen eigentlich mit rund fünf Toren Differenz verlieren müssten. Selber schwankend in der Leistung, gegen einen Gegner, der zuletzt mehr als nur suverän seine Spiele gewann, wie sollte da etwas gehen? Wie konnte dieses Spiel ein Anfang werden für etwas Gutes?

Ganz klar: Gar nicht! Zumindest nicht nach 20:01 gespielten Minuten, denn da erzielte der THW das 6:13. Sieben Tore Rückstand nach 20 Minuten. Eine Leistung, wie von einem anderen sterbenden Stern war das, was die Löwen bis dahin boten. Der THW musste nur in der Abwehr beweglich und aggressiv sein und vorne geduldig darauf warten, dass die Löwen-Abwehr einmal nicht aufpasst und zu lieb ist – was mehrfach passierte.

Ein Anfang – für ein Debakel?

Ja, auch bei mir fehlte in dem Moment der unbedingte Glaube daran, dass das noch was wird. Zu uninspiriert, zu langsam im Angriff, und in der Abwehr zu schläfrig ohne Krallen geht es gegen kein Team in der HBL gut, und gegen den THW erst recht nicht. Kristján Andrésson nahm die zweite (!) Auszeit, brachte Appelgren für Palicka, Kirkeløkke für Petersson und Guardiola in der Abwehr. Die Löwen erzielen das 7:13. Nun gut, sieht nicht mehr ganz so übel aus. Der THW macht Fehler, Appelgren hält, die Löwen treffen zum 8:13. Na, vielleicht bis zur Halbzeit auf drei oder vier Tore ran kommen, dann ist vielleicht doch nicht alles verloren? Hoffnung keimte auf, wenn auch noch nur sehr vorsichtig.

Bis zur Halbzeit folgten noch das 9:13 (“Wenigstens mal drei eigene Tore am Stück!”) und das 10:13 (“Geht da doch noch was?”) folgten. Immerhin 9:59 Minuten vergingen ohne ein weiteres Kieler Tor. Das war doch ein Anfang! Die bange Frage: Kommt da noch was nach?

Es kam noch was nach!

Und was da noch nach kam! Eine völlig andere Körpersprache der Löwen, eine ganz andere Einstellung zum Spiel war bis in die letzte Reihe der SAP Arena zu bemerken. Denke ich zumindest, denn so weit oben stehe ich ja nicht. Kohlbacher zum 11:13, die Halle tobt. Wiencek zum 11:14, Kohlbacher und Schmid zum 13:14, die Halle tobt, aber ich habe schon keine Stimme mehr. Danke dafür, liebe Schiedsrichter! Später noch mehr zu diesem Thema.

13:15 für den THW? Egal, weiter geht’s! 14:15, 15:15, 16:15. Ich fange an, mir um den Zustand der SAP Arena Sorgen zu machen. 17:15, 18:15. Jetzt frage ich mich, ob es gerade regnet, denn ich befürchte, dass das Dach der SAP Arena gleich weg fliegt. 12:2 in 40 Minuten. Gegen den THW. Gegen den THW Kiel. Ich will aus diesem Traum nicht geweckt werden!

Das Ding ist noch nicht durch!

Die Kieler kämpfen sich zurück. Auch begünstigt durch ein paar etwas überhastete Aktionen der Löwen, durch einige Ungenauigkeiten. Die Aufholjagd hat Kraft gekostet, die Löwen müssen kurz durchschnaufen, und der THW ist wieder da. Über 19:19 geht es Kopf an Kopf bis zum 22:22, ehe der THW nochmal Gas gibt. Zarabec streckt Abutovic mit einem Schlagwurf nieder, Duvnjak nimmt den Abpraller und versenkt ihn im Löwentor. 22:25 für den THW, nach 55:55 Minuten.

Game over! Zumindest in einem normalen Spiel gegen den THW. Vier Minuten und fünf Sekunden, um einen Dreitorerückstand aufzuholen? Es gibt einfachere Aufgaben in der HBL.Doch nachdem die Schiedsrichter bereits in der ersten Halbzeit für Stimmung in der Bude gesorgt hatten, war genau dieses Tor der endgültige Startschuss für eine unfassbar laute Schlussphase! Alle standen schon seit der 52. Minute, es war schon da unbeschreiblich laut in der SAP Arena, aber dank Schulze/Tönnies legte wohl jeder nochmal eine Schippe drauf. Irgendwo in meinem Hals mussten sich noch ein paar Töne versteckt gehalten haben. Die schleuderte ich nun mit Inbrunst heraus.

Noch ein Anfang kurz vor dem Ende

Was jetzt folgte war unbeschreiblich und etwas, von dem man noch den Enkeln erzählen kann. Kiel bereits in Unterzahl wegen der Zeitstrafe gegen Reinkind, Groetzki mit dem 23:25 (56:18), Appelgren hält gegen Ekberg. Kohlbacher trifft zum 24:25 (56:18). Reinkind ist zurück, leistet sich eine Schrittfehler, Schmid erzielt das 25:25 (57:59) mit einer enormen Willensleistung und zieht noch dazu die nächste Zeitstrafe gegen Reinkind. Da wirst du doch bekloppt!

Arm in Arm mit Junior wird gebrüllt, was die lädierten Stimmbänder hergeben. Frau und Tochter geben neben uns ebenfalls alles, was noch im Tank ist.. Filip Jicha nimmt die letzte Auszeit für den THW, noch 1:18 Minuten bis zum Abpfiff. Duvnjak wirft, Appelgren hält, Ballbesitz Löwen, noch 64 Sekunden. Wie laut die Halle sein kann, wenn 13200 (abzüglich der THW-Fans) “Löwen! Löwen!” brüllen! Schmid mit dem Beinahe-Offensivfoul gegen Pekeler, die Schiedsrichter pfeifen nicht – Fehler in der Matrix? – und Schmid zieht den nächsten Siebenmeter. Noch 26 Sekunden.

TOR! Appelgren! Abpfiff! JAAAAAA!

Leckomio, was ein Kracher von Gensheimer beim Siebenmeter! Ob Quenstedt jetzt eine Erkältung hat vom Luftzug? Eqal, noch hat der THW die Chance, die Uhr tickt herunter, es geht natürlich wieder über Duvnjak. Sensationsparade Appelgren, Schlusspfiff, Glückshormonüberschuss. Wildfremde Menschen – und auch sich durchaus näher bekannte Menschen – liegen sich hüpfend und jubelnd in den Armen, die eine oder andere Freudenträne fließt ebenfalls. Was für ein Spiel! Was für eine Achterbahnfahrt! Und was für ein Ende!

Ich habe dann eine Bahn später genommen als der Rest der Familie, denn ich war kaputte. Körperlich fix und foxi, emotional ausgelaugt. Zweimal so zurück zu kommen ist etwas, was sich die Löwen vielleicht selbst nicht zugetraut hatten. Von daher ist dieser Erfolg ein Anfang. Mehr aber auch nicht! Nur wenn die Löwen so weiter machen wie in den guten Phasen dieses Spiels wird aus dem Anfang auch ein sehr guter Mittelteil mit einem noch besseren Ende.

Fünf Bemerkungen zum Schluss

Zunächst: Gute Besserung für THW-Spieler Gisli Kristjánsson! Das sah nicht gut aus, und eine ausgekugelte Schulter ist echt kein Spaß. Ich hoffe, dass er bald wieder gesund ist und danach endlich mal längere Zeit von Verletzungen verschont bleibt. Der Junge hat enorm viel drauf, was er am Donnerstag mehrfach gezeigt hat.

Für die Löwen hoffe ich, dass es bald gelingt, die Neuzugänge Kirkeløkke und Lagarde richtig ins Spiel einzubinden. Da müssen alle mithelfen: Der Trainer, die Mitspieler, und ganz besonders auch Andy Schmid, der sein Spiel umstellen muss. Aber ein Anfang muss auch von den Neuzugängen gemacht werden. Kirkeløkke darf gerne darauf achten, weniger Konzentrationsfehler zu machen, und Lagarde darf sich selbst nicht zu sehr unter Druck setzen. Die Löwen werden beide dringend brauchen, wenn in dieser Saison noch mehr erreicht werden soll als ein emotionaler Sieg gegen den THW.

Vielleicht liest ja zufälligerweise jemand diese Zeilen, der am Donnerstag das erste Mal im Stehblock der SAP Arena war oder auf einem anderen Platz in der Halle. Wenn es euch gefallen hat, dann kommt doch auch dann mal in die Halle, wenn es gegen Stuttgart, Nordhorn-Lingen oder den BHC geht, oder gegen andere Mannschaften, die ihr nicht kennt. Diese Löwen, die ihr am Donnerstag angefeuert, bejubelt und gefeiert habt, diese Löwen haben es verdient, dass ihr sie auch dann unterstützt, wenn nicht gerade der Rekordmeister oder die Flensburger in Mannheim zu Gast sind! Und ihr müsst dann nicht mehr fragen, wer denn jetzt eigentlich der Schmid ist.

Zwei habe ich noch

Punkt 4 auf meiner Liste der abschließenden Bemerkungen: Die Schiedsrichter! Mittlerweile habe ich mir das Spiel mehrfach angeschaut. Ein paar Aufregungen meinerseits waren objektiv betrachtet überflüssig, aber in der Halle bin ich dann doch ein klein wenig mehr Fan als ein neutraler Schiedsrichterbeobachter. Dennoch: Was da an Pfiffen aus der Pfeife gepresst wurden spottete in mehr als einem Fall jeglicher Beschreibung. Dennoch gilt beiden mein aufrichtiger Dank! Durch diese seltsamen Entscheidungen kam nochmal extra viel Feuer unters Hallendach. Auch die Löwen waren wohl doppelt und dreifach angestachelt, dagegen zu halten. Am Ende hat’s geholfen, auch wenn es so wohl nicht beabsichtigt war.

Zu guter Letzt noch ein Wort zu Gedeon Guardiola. Er hat in dieser Saison mehrfach schon gezeigt, das seine Hereinnahme die Abwehr stabilisiert. Etwas, was ich ihm ehrlicherweise nicht mehr so ganz zugetraut hatte. Dennoch wird er wohl keinen neuen Vertrag mehr bekommen. Ich hoffe nur, dass es den Löwen gelingt, jemanden zu verpflichten, der im Innenblock spielen kann und der Emotionen rein bringt, wie es Guardiola am Donnerstag getan hat. Dass das dringend notwendig war sollte jeder gesehen haben.

Ein Anfang ist getan!

Mehr aber auch nicht. Den Löwen fehlt in dieser Saison die Konstanz. Innerhalb eines Spiels, aber auch von Spiel zu Spiel. Wenn dieser Fight mit diesem glückseligen Ende ein Anfang für mehr Konstanz im Spiel der Löwen ist, dann ist das prima. Wenn nicht, dann bleibt dieses Spiel dennoch eines der turbulentesten, wendungsreichsten, aufregendsten und grandiosesten Handballspiele, die ich bisher gesehen habe.