Die Causa Birlehm

      Kommentare deaktiviert für Die Causa Birlehm

Nachdem ich zuletzt einen Blick auf zwei Neuzugänge der Rhein-Neckar Löwen geworfen habe, geht es heute um die andere Richtung. Denn bezüglich Torhüter Joel Birlehm kamen zuletzt starke Gerüchte auf, dass ein Wechsel nach Gummersbach oder Hannover kurz vor dem Abschluss stehen soll. Geht er, oder geht er nicht? Oder müsste die Frage vielleicht eher lauten: Muss er gehen?

Die Vorgeschichte

Seit Januar 2022 spielt Birlehm bei den Löwen. Sein Abgang aus Leipzig, wo er seit Juli 2019 unter Vertrag stand, war nicht ganz geräuschlos. Im Mai 2020 unterschrieb er eine Vertragsverlängerung bis Juli 2024, inkl. einer Klausel, dass er im Sommer 2023 gegen eine festgeschrieben Summe vorzeitig aus seinem Vertrag aussteigen kann. Von dieser Klausel machte Birlehm Anfang November 2021 Gebrauch und unterschrieb bei den Löwen ab Juli 2023.

Dann verschlimmerte sich die Situation auf der Torhüterposition bei den Löwen dramatisch. Mikael Appelgren verletzt, David Späth verletzt, und Andreas Palicka verließ den Verein vorzeitig unter seltsamen, nie öffentlich geklärten Umständen in Richtung Schweden. Somit sahen sich die Löwen gezwungen, zu handeln. Gegen Zahlung einer nicht unerheblichen Ablösesumme, so wird gemunkelt, kam der Wechsel von Birlehm zu den Löwen dann vorzeitig zustande.

Birlehm und die Statistiken

Lassen wir die Torhüter beiseite, die bisher nur sehr wenig Spielzeit in der HBL bekommen haben, liegt Birlehm mit 34,13% gehaltenen Bällen auf Rang 4 (Stand: 07.12.2023), nur hauchdünn hinter seinem Vereinskollegen Mikael Appelgren und drei Plätze (und Prozentpunkte) vor seinem anderen Teamkollegen David Späth. Bei Würfen aus der Rückraum-Nahdistanz ist er im oberen Bereich der Torhüter, bei Würfen von den Außenpositionen auf Platz 2 und bei Tempogegenstößen sogar auf Platz 1 der HBL.

Nicht so gut sieht es bei Würfen von Rückraum fern (Mittelfeld) oder gar vom Kreis aus (unteres Mittelfeld). Wenn man so will wäre ein Spieler, der die Stärken von Birlehm, Appelgren und Späth in sich vereinigt, der Über-Torwart schlechthin.

Drei Torhüter sind super

Die Löwen leisten sich derzeit noch den Luxus, drei tolle Torhüter unter Vertrag zu haben. In dieser Form gibt es das bei keinem anderen verein der HBL. Für die Löwen funktioniert das insgesamt auch hervorragend, Es gab nicht wenige Spiele, in denen es von großem Vorteil war, hochkarätig wechseln zu können. Und Erkrankungen eines Torhüters, oder auch Verletzungen, können so viel besser aufgefangen werden. Klingt bis dahin nach einem Modell mit Zukunft.

Ganz so einfach ist das jedoch nicht. Schließlich wollen gute Torhüter auch gut bezahlt werden. Nun habe ich keinen Einblick in die Verträge von Appelgren, Birlehm oder Späth. Ich kann mir allerdings schon vorstellen, dass die Löwen irgendwie schon ganz gerne einen Teil dieses Geldes in andere Positionen stecken würden. Zwar wird Uwe Gensheimer nach dieser Saison nicht mehr als Spieler auf der Payroll stehen, wodurch mit Sicherheit eine ordentliche Summe frei wird. Sollte Ymir Örn Gislason tatsächlich zu Frisch Auf Göppingen wechseln, wie gemunkelt wird, ergeben sich zusätzliche Spielräume. Zudem verlässt Niklas Kirkeløkke verlässt den Verein sicher in Richtung Flensburg. Dem stehen aber auch einige Neuzugänge gegenüber, die nicht ganz billig sein dürften.

Gute Neuzugänge kosten Geld

Tim Nothdurft, Sebastian Heymann und Ivan Martinovic sind die bereits feststehenden Neuzugänge für die kommende Saison. Alle drei dürften sicherlich nicht billig sein, auch wenn sie das Gesamt-Gehaltsgefüge der Löwen nicht sprengen werden. Von daher erscheint es alleine schon aus finanziellen gründen sinnvoll zu sein, einen der drei Torhüter abzugeben.

Geld ist nicht alles

Jenseits der finanziellen Aspekte gibt es aber auch sportliche Gründe, keine drei Top-Torhüter im Kader zu haben. Sicher, du hast mehr Alternativen, kannst auf Formschwankungen eines Torhüters besser reagieren. Dennoch will jeder Torhüter möglichst viel spielen. Schaut man sich die bisherige Spielzeit der Löwen-Torhüter an, ergibt sich folgendes Bild. Appelgren stand 6:54 Stunden zwischen den Pfosten, Birlehm 3:49 Stunden und Späth 3:31 Stunden. Für die Entwicklung von Späth wäre es wichtig, mehr zu spielen, und für Birlehm wäre es mit Blickrichtung Nationalmannschaft ebenfalls wichtig, häufiger sein Können zu zeigen.

Insbesondere die Konstellation, dass mit Späth ein junger, aufstrebender Stern am Torhüterhimmel im selben Verein steht, ist nicht zu unterschätzen. Zwar betonen alle drei immer wieder, wie gut sie harmonieren, und es ist auch nie irgendetwas ähnliches wie Streit oder Missgunst zu entdecken. Ob es aber innerlich genauso ist, kann niemand mit Sicherheit sagen. Ist aber natürlich pure Spekulation.

Birlehm und die Vertragsdauer

Der Vertrag von Birlehm läuft eigentlich noch bis zum Ende der Saison 2024/25. Bereits im November 2022 hatte Appelgren seinen Vertrag bei den Löwen bis 2026 verlängert. Späth zog nach und verfügt seit knapp drei Monaten über einen Vertrag bis zum Jahr 2027. Anders gesagt: Das Arbeitspapier von Birlehm ist das, das zuerst ausläuft. Würde er bereits nach Ablauf der aktuellen Saison wechseln, so müsste eigentlich eine Ablösesumme anfallen. Allerdings kann ich mir nicht vorstellen, dass die Löwen auch nur annähernd den Betrag erzielen können, den sie für Birlehm nach Leipzig überwiesen haben.

Stellt sich die Frage, warum die Löwen den Vertrag mit Appelgren bis 2026 verlängert haben. Dann wäre Appelgren knapp 37 Jahre alt. Meine Vermutung: Zu diesem Zeitpunkt war nicht abzusehen, dass Späth nach seinem Kreuzbandriss so schnell zurückkommen und sich so rasant entwickeln würde. Appelgren zu halten war eine logische Konsequenz, um Planungssicherheit auf der immens wichtigen Torhüterposition zu haben. Die Entwicklung von Späth hat die Löwen, so denke ich, überrollt und sicher auch positiv überrascht.

Birlehm gehen lassen oder halten?

So einfach ist die Sache nicht. Es könnte ja durchaus sein, dass Birlehm gerne bleiben möchte. Oder dass der Verein ihn halten will, er aber mehr Spielzeit möchte, die ihm bei den Löwen niemand garantieren kann. Bisher habe ich noch nichts gelesen, was in die eine oder andere Richtung deutet. Deshalb bleibt das alles – passend zur Jahreszeit – Spekulatius.

Gummersbach oder Hannover?

Weder beim VfL noch bei den Recken kenne ich die Personalplanung in Sachen Torhüter. Bei einer Sache bin ich mir aber sicher: Birlehm würde beiden Teams weiterhelfen, die derzeit Tabellennachbarn der HBL sind. Vermutlich wird keines der beiden Teams in der kommenden Saison international spielen. Vielleicht ist in Hannover eher schon die Basis für zukünftige Europapokalspielzeiten gelegt, als in Gummersbach. Allerdings könnte Birlehm in Gummersbach ein wichtiges Puzzleteil sein, diesen Schritt in Richtung Europa zu gehen.

Es gibt also durchaus Argumente für einen vorzeitigen Abgang von Joel Birlehm aus Mannheim. Wobei eine Frage dennoch erlaubt sein muss, nämlich …

Warum nicht Appelgren?

Appelgren ist immerhin acht Jahre älter als Birlehm. Zwar sind 34 Jahre noch kein Alter für Torhüter, doch Appelgren hat schon fast zwei Jahre am Stück wegen Verletzungen, daraus resultierenden Operationen und anschließenden Reha-Maßnahmen verpasst. Hält sein Körper es aus, wenn mehr Spielzeit auf ihn zukommt? Was ist, wenn er erneut länger ausfallen sollte? Wäre es da nicht besser, mit dem jüngeren Spieler zu gehen?

Wieder so eine Frage, die ohne Insider-Informationen – über die ich nicht verfüge – nur spekulativ zu beantworten ist. Also, dann spekuliere ich mal ein wenig. Meiner Ansicht nach können mehrere Gründe eine Rolle spielen, warum es Birlehm ist, der aller Voraussicht nach die Löwen verlassen wird. Zum einen könnte es sein Wunsch sein, mehr Spielzeit zu haben. Außerdem wäre denkbar, dass er es für eine auf Dauer ungünstige Situation hält, mit einem Konkurrenten um einen Platz bei der Nationalmannschaft im selben Team zu stehen. Damit meine ich nicht, dass Birlehm den Konkurrenzkampf scheuen würde. Ein Fernduell kann allerdings die bessere Variante sein.

Ein weiterer Grund könnte auf Seiten der Löwen zu finden sein. Die Erfahrung von Appelgren, sein Standing in der Mannschaft und im Zusammenspiel mit den Fans, sind Punkte, die nicht wegzudiskutieren sind. Evtl. planen die Löwen ja, Appelgren in irgendeiner Funktion im Verein zu halten. Ob das mit einem neuen Vertrag weiterhin als Spieler ist, oder als Torwarttrainer, oder als Coach im Nachwuchsbereich, oder als Talentscout im skandinavischen Raum, egal. Es wäre für mich eine tolle Sache, Apfel auch über seine sportliche Laufbahn hinaus in den Verein einzubinden.

Ein klarer Blick ist notwendig

Bei allen unbestrittenen Verdiensten von Appelgren, und trotz des Wunsches, ihn in irgendeiner Funktion langfristig an den Verein zu binden, darf der klare Blick nicht verloren gehen. Zu entscheiden ist in erster Linie, wer die Löwen im Rahmen des 2022 begonnenen Fünf-Jahres-Plans am besten voran bringt. Derzeit deutet vieles darauf hin, dass die Löwen diese beste Option darin sehen, den nächsten Schritt mit dem Torhüter-Duo Appelgren und Späth zu gehen. Oder es ist vielleicht Birlehm, den die Löwen halten wollen, den aber die Argumente der Löwen nicht vollkommen überzeugen, und der für sich einen anderen Weg als optimale Lösung sieht?

Wer weiß das schon? Ich jedenfalls nicht, aber ich gehe davon aus, dass es in Sachen Abgang von Joel Birlehm nicht mehr allzu lange dauern wird, bis wir wenigstens in der Frage Klarheit haben, wohin er wechseln wird. Denn so beständig, so konkret, wie die Gerüchte derzeit kursieren, kann ich mir nicht vorstellen, dass er über das Ende dieser Saison hinaus bleiben wird. Es wäre schade, denn er ist ein toller Torhüter, der noch besser werden kann. Und seine Parade im Siebenmeterwerfen des Finales des REWE Final 4 2023 gegen den SC Magdeburg wird bei uns Löwen-Fans niemals in Vergessenheit geraten.