Die Personalpolitik der Löwen

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Bevor ich einen Blick auf die aktuelle Personalpolitik der Rhein-Neckar Löwen werfe, soll es zunächst kurz um die vergangenen Jahre gehen. Da haben die Löwen z.B. einen hochtalentierten Linksaußen in ihrem Kader, der aber nur selten eingesetzt wird und deshalb nach Dänemark wechselt. Auf anderen Positionen gab es immer wieder Kurzzeitlösungen – Rückraum rechts, oder auch links, anyone? – oder wenig überzeugende Verpflichtungen. Es fehlte an einer für Nicht-Insider nachvollziehbaren Planung. Die Personalpolitik der Löwen wirkte, als würden aus Mangel an einer langfristigen Planung lediglich kurzfristige Lösungen gesucht.

In Folge 66 des Löwenfunk-Podcasts des Team äußerte sich Oliver Roggisch auch zur Personalpolitik der Löwen. Auch wenn Roggisch damit recht hat, dass Außenstehende – so wie ich – keinen wirklichen Einblick in all die Abläufe und Überlegungen haben, dass kein Wissen über Vorfälle im Team oder zwischen Spieler und Verein vorhanden ist: Kritik zu üben muss erlaubt sein, was Roggisch nun allerdings auch nicht als komplett unzulässig bezeichnet hat. Sicher ist es für die Verantwortlichen im Verein nicht immer leicht, zu schweigen, wenn es Kritik an der Personalpolitik gibt. Dass es Zwänge gibt, dass es Notwendigkeiten gibt, interne Dinge nicht zu veröffentlichen, das ist natürlich unbestreitbar.

Eine Idee muss erkennbar sein

Vieles an Kritik wäre allerdings erst gar nicht aufgekommen, wenn ein halbwegs nachvollziehbarer Plan erkennbar gewesen wäre. Gedeon Guardiola abzugeben, aber Ilija Abutovic zu behalten (dessen Vertrag sogar vorzeitig verlängert wurde), das haben nur die aller wenigsten nachvollziehen können. Mir fallen dazu noch Spieler ein wie Momir Rnic, Vladan Lipovina oder auch Kristian Bliznac, mit Einschränkungen noch Mait Patrail. Auch wenn jede dieser Personalentscheidungen aus Sicht der Verantwortlichen notwendig gewesen sein sollte, wenn sie nicht anders machbar war – für Außenstehende wirkte das halt nun mal kurzsichtig, oft planlos. Eine übergeordnete Idee, wie die Mannschaft aufgebaut und weiter entwickelt werden soll, war nicht zu erkennen.

Neue Ansätze

Bereits in der vergangenen Saison war zu erkennen, dass sich etwas ändert bei den Löwen. Jedenfalls gab es für einige Junglöwen Gelegenheiten, sich zu zeigen. Reden wir aber nicht mehr über diese wirklich üble Saison 2021/22, sondern über die aktuelle Saison. Neuer Trainer, neuer Co-Trainer, nach einigen Jahren Pause wieder ein neuer Torwart-Trainer – die Löwen stellen sich neu auf. Darüber hinaus gab es, abgesehen von den Spielern aus der eigenen Jugend, nur zwei externe Neuzugänge. Olle Forsell Schefvert und Halil Jaganjac erwiesen sich sofort als perfekte Neuverpflichtung, die sportlich und menschlich hervorragend passen. Dass ich mich über die beiden wirklich gefreut habe, und wie ich diese einschätze, hatte ich schon geschrieben, wie auch zu den neuen Trainern. Daher geht es nun um …

Die kommenden Jahre

Es hatte schon was von einer Hängepartie, was die Vertragsverlängerung von Kapitän Patrick Groetzki angeht. Immer, wenn es darum ging, ob der Kapitän an Bord bleibt, hieß es, dass es gut aussieht, dass nur noch Details zu klären sind. Aber eine Vollzugsmeldung gab es nicht. Und mit jeder Woche, die verging, wuchs bei einigen der Zweifel an einem Verbleib von “Johnny”, dem Langzeitlöwen #1. Dann, am 24.11.2022, vor dem Spiel gegen die Füchse Berlin, endlich die Erlösung. Groetzki bleibt bis 2026 bei den Löwen und hat dann 19 Jahre – in Worten: neunzehn! Jahre – bei den Löwen verbracht. Unfassbar! Wer hätte das vermutet, als Groetzki 2007 neben solchen Größen wie Henning Fritz, Christian Schwarzer und Oliver Roggisch als Neuzugang vorgestellt wurde?

Dass Groetzki verlängert hat, war mehr als nur eine Entscheidung, die einen Spieler betrifft. Zum einen ist Groetzki kein normaler Spieler, sondern (wieder) Nationalspieler, ein langgedienter Löwen und zudem Kapitän des Teams. Wenn so jemand seinen Vertrag verlängert, ist das ein Vertrauensbeweis für den Verein. Die neue Ausrichtung der Löwen muss für ihn überzeugend gewesen sein, und wenn der Kapitän verlängert, dann kann das Auswirkungen auf Entscheidungen seiner Mitspieler haben. Das Stichwort “Signalwirkung” kommt einem dabei unweigerlich in den Sinn.

Der Apfel fällt nicht

Vertragsverlängerung Nummer 2 kam dann nur wenige Tage später. Torhüter Mikael Appelgren, seit 2015 ein Löwe und zuletzt auch gerüchteweise beim THW Kiel im Gespräch, bleibt dem Verein und uns Fans ebenfalls für drei weitere Jahre erhalten. Eine hervorragende Nachricht! Appelgren ist nach zwei ganz schweren Jahren, in denen er von Verletzungen in Serie heimgesucht wurde, wieder in einer sehr guten Form. Sportlich für die Löwen jedenfalls ein wichtiges Puzzleteil, aber auch menschlich großartig. Wie “Apfel” es schafft, mit seiner Art uns Fans mitzunehmen, uns zu unterhalten und zu begeistern, das ist schon ganz großes Kino. Wichtig ist darüber hinaus, dass er eben nicht nur den Gute-Laune-Bär gibt, sondern sportlich ebenso begeistern kann.

Die Frage, die sich allerdings stellt: Wie werden die Spielanteile auf der Torhüterposition verteilt (und wie lange Birlehm eigentlich noch Vertrag hat)? Gehen wir davon aus, dass die Löwen es ins internationale Geschäft schaffen, so wird es mit Bundesliga, Pokal und European League rund 50 Spiele geben. Neben Appelgren gibt es bei den Löwen noch Joel Birlehm, der gerade von Bundestrainer Alfred Gislason für die WM nominiert wurde, und David Späth, der nach seiner Kreuzbandverletzung wieder voll im Saft zu stehen scheint. Zuletzt waren auch drei Torhüter auf dem Spielberichtsbogen, was gleichzeitig bedeutet, dass “nur” 13 statt 14 Feldspieler eingesetzt werden können. Nichts, was in vielen Teams praktiziert wird. Bleibt da so? Es wird spannend sein, wie Sebastian Hinze das (Luxus-)Problem lösen wird, allen Torhütern Spielzeit zu geben, um alle bei Laune halten zu können.

Diese Personalpolitik macht Spaß

Die beiden eben erwähnten Personalentscheidungen waren wichtig. Wichtig für die anderen Spieler, damit diese sehen, dass altgediente Spieler weiterhin an die Entwicklung des Teams glauben und daran, mit den Löwen sportlich erfolgreich sein zu können. Nicht ganz unwichtig dürften diese Personalentscheidungen auch für potenzielle Neuzugänge sein. Schließlich ist es bei der Entscheidung, zu einem verein zu wechseln, sicher nicht verkehrt, zu wissen, wer denn in ein, zwei, drei Jahren noch da sein wird.

Auch für Sponsoren sind diese Vertragsverlängerungen wichtig, denn diese geben Sicherheit, dass eine gewisse Qualität weiterhin vorhanden sein wird. Ist ja schon nicht unwichtig für Sponsoren, wie sich die sportliche Entwicklung darstellt. Ganz nebenbei waren diese beiden Vertragsverlängerungen auch für uns Fans als Signal wichtig, dass der Verein daran arbeitet, das Team für die nächsten Jahre gut aufzustellen, und dass diese Personalpolitik erfolgreich ist.

Juri Knorr bleibt!

Ganz ehrlich? Für mich war die ganze Zeit schon die Personalie Juri Knorr die wichtigste. Damit möchte ich nichts gegen Groetzki und Appelgren gesagt haben! Natürlich sind die beiden in mehrerlei Hinsicht für die Mannschaft wichtig. Mir geht es bei Knorr um etwas anderes. Für mich war diese Personalie deshalb so wichtig, weil bei einem Abgang von Knorr die Position Rückraum Mitte neu hätte besetzt werden müssen. Eine so zentrale, für das ganze Spiel so wichtige Position kannst du normalerweise nicht von heute auf morgen neu besetzen. Noch dazu, wenn du eine mindestens genauso gute und vielversprechende Besetzung mit Perspektive haben willst, wie mit Juri Knorr.

Und dann kommt die Nachricht, dass Knorr bis 2026 bleibt. Phantastisch! Knorr hat bereits diese Saison eine tolle Entwicklung genommen, und dass er diese Entwicklung bei den Löwen fortsetzen möchte ist eine großartige Nachricht. Dass diese Nachricht kurz vor Weihnachten kam, war die Kirsche auf der Torte. Im ersten Moment hatte ich gedacht, dass im Video nur Tore aus dem ersten Saisonspiel gegen die MT Melsungen auftauchten, und das am Tag vor dem DHB-Pokal-Achtelfinale bei der MT. Fand ich höchst interessant. Bis ich dann beim nochmaligen Anschauen gesehen habe, dass da doch auch ein paar Tore aus anderen Spielen dabei waren. Selektive Wahrnehmung, und so.

Personalpolitik im Fluss

Die bisher bekannt gegebenen Vertragsverlängerungen sind ein sehr starkes Zeichen für eine Personalpolitik, die vorausschauend ist. Aber noch ist einiges zu tun, sowohl für die kommende Saison als auch darüber hinaus. Was passiert mit Jannik Kohlbacher? Sein Vertrag läuft aus, und die Gerüchte, dass die MT Melsungen enormes Interesse an ihm hat, sind bisher nicht verstummt. Ich könnte einen Wechsel aus finanziellen Gründen verstehen, aber sonst? Nichts gegen die MT, aber was bietet Melsungen, was die Löwen nicht auch bieten? Zuletzt habe ich allerdings munkeln hören, dass Kohlbacher bleiben wird. Wäre gut, aber hier warte ich noch die offizielle Bestätigung ab. Bis dahin heißt es abwarten und hoffen.

Nilsson, Ahouansou, Lindenchrone

Lukas Nilsson kam 2020 vom THW Kiel zu den Löwen und unterschrieb einen Dreijahresvertrag. Wenn ich nichts verpasst habe, wurde sein Vertrag bisher auch noch nicht verlängert und müsste daher im kommenden Sommer auslaufen. Bleibt er oder geht er? Ein fitter Nilsson wäre mit seiner Dynamik im Angriff eine hervorragende Lösung. Aber wie sieht es mit seinen Qualitäten in der Abwehr aus? Ich bin da skeptisch. Von daher wird es interessant, was die Löwen machen. Wenn Philipp Ahouansou von der Leihe bei GWD Minden zurück kommt, wäre er eine prima Alternative. Bleibt noch die Frage zu klären, ob damit die Personalpolitik in Sachen “Rückraum links” abgeschlossen ist. Ahouansou und ein hoffentlich wieder genesener Jaganjac, im Vertretungsfall auch Schefvert klingt nicht verkehrt. Aber reicht das? Ist Robert Timmermeister die Antwort auf diese Frage? Keine Ahnung, welche Vorstellungen (und welche finanziellen Möglichkeiten) die Löwen in dieser Angelegenheit haben. Hier können und müssen wir uns wohl überraschen lassen.

Noch haben die Löwen nicht bekannt gegeben, wer im Sommer 2023 als Ersatz für Albin Lagergren kommen wird. Mittlerweile wurde allerdings so oft davon berichtet, dass Jon Lindenchrone Andersen von Frisch Auf! Göppingen kommen wird, dass es eine große Überraschung wäre, wenn er nicht kommen sollte. Wann die Löwen die Verpflichtung bekannt geben (wenn er denn wirklich kommt)? Vielleicht erst nach dem Spiel in Göppingen am 25.02.2023?

Was passiert auf Linksaußen?

Hinweis: Diesen Abschnitt habe ich nachträglich am 28.12.2022 kurz nach 19:00 Uhr eingefügt.

Heute (am 28.12.2022) wurde bekannt, dass Linksaußen Benjamin Helander die Löwen nach dieser Saison verlassen wird und zurückkehrt zu Alingsas HK zurückkehrt, von wo er 2021 zu den Löwen kam. Meine Idee wäre es, Lion Zacharias als Backup von Uwe Gensheimer spielen zu lassen, mit David Móré dahinter als Absicherung. Richtig interessant wird es aber erst 2024, wenn Gensheimers Vertrag ausläuft. Verlängert er nochmal? Immerhin wird er relativ früh in der Saison 2024/25 dann 38 Jahre alt sein. Angesichts der in letzter Zeit sich häufenden Verletzungen vielleicht ein guter Zeitpunkt, das Zepter an einen Nachfolger zu übergeben. Wer das dann wird? Ob die Löwen mit Zacharias und Móré als Linksaußenpaar planen? Spannend.

Personalpolitik, vorerst letzter Teil

Im Handball musst du weiter voraus denken als nur ein halbes oder ganzes Jahr. Anderthalb bis zwei Jahre im Voraus musst du dran sein, wenn du bestimmte Spieler unbedingt haben willst. Deshalb ist es auch spannend, was die Löwen machen werden, wenn Niklas Kirkeløkke im Sommer 2024 nach Flensburg gehen wird. Zumindest ist genau das immer wieder zu lesen und zu hören, auch wenn eine offizielle Bestätigung meines Wissens noch nicht vorliegt. Da es aber Dänen gerne in die Nähe der Heimat zieht, ist das nicht unwahrscheinlich. Hier wird es sehr interessant sein, wie die Löwen reagieren. Kommt ein Hochkaräter? Wird die Position mit einem Spieler aus dem eigenen Nachwuchs besetzt, also z.B. mit Elias Scholtes?

Wollen die Löwen tatsächlich in den nächsten Jahren auch mal ganz oben angreifen, dann wird es vermutlich nicht ohne externe Neuzugänge gehen; davon bin ich überzeugt. Auch die Füchse Berlin, die immer wieder (zurecht) als Beispiel für eine sehr gute Integration von Spielern aus der eigenen Jugend genannt werden, sind erst durch starke, internationale Neuzugänge zu einem Meisterschaftskandidaten geworden. Wer möchte, kann den Markt beobachten. Mein Wunschspieler – nein, ich verrate immer noch nicht, wer das ist – wird allerdings mit hoher Wahrscheinlichkeit nicht Spieler der Löwen werden. Leider.

Ein Anfang ist gemacht

Die Löwen befinden sich mit ihrer Personalpolitik endlich (wieder) auf einem guten Weg. Oder, um genau zu sein: Sie befinden sich mit der nach außen kommunizierten und für Außenstehende wie mich zu beobachtenden Personalpolitik auf einem guten Weg. Ob dieser Weg dauerhaft gegangen wird, bleibt abzuwarten. Doch vieles deutet darauf hin, dass die Löwen aus den Jahren einer verfehlten, oft kurzsichtig (erscheinenden) Personalpolitik gelernt haben, und nun einen besseren, nachhaltigeren Weg gehen. Für mich und alle anderen Fans der Löwen ist das eine gute Nachricht zum Ende eines Jahres mit völlig unterschiedlichen Hälften.

Allen Leserinnen und Lesern meines Blogs wünsche ich einen guten Rutsch in ein hoffentlich löwenstarkes Jahr 2023! Wir sehen uns in der SAP Arena!