Ein Ausblick auf 2022/23 – Teil I

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Die Saison 2021/22 ist Geschichte. Damit möchte ich mich gar nicht groß mehr beschäftigen (ganz ohne geht es aber doch nicht), wobei ich hoffe, dass die Verantwortlichen bei den Rhein-Neckar Löwen ihre Lehren aus dieser verkorksten Spielzeit gezogen haben. So eine Saison darf sich nicht wiederholen! Und damit ist es nun an der Zeit für einen Ausblick auf 2022/23.

Neue Gesichter braucht der Verein

Beim letzten Heimspiel am Mittwoch, den 08.06.2022, wurden einige Spieler und der (Übergangs-)Trainer verabschiedet. Nikolas Katsigiannis erhielt keinen neuen Vertrag, da die Löwen mit Mikael Appelgren, Joel Birlehm und David Späth im Tor wirklich gut besetzt sind, wenn alle gesund sind. Der Abgang von Mait Patrail und Ilija Abutovic zeigt die neue Ausrichtung der Löwen an: Weg von den Abwehrspezialisten, hin zu offensiv und defensiv einsetzbaren Spielern. Dazu später mehr.

Dass Andy Schmid ebenfalls den Verein verlässt tut weh. Und es wird noch mehr weh tun, wenn es in der kommenden Saison mal nicht so laufen sollte, wenn seine Genialität, seine Leadership schmerzlich vermisst werden sollte. Das wird auch eine harte Zeit für uns Fans, denn wir müssen uns darauf einstellen, dass Andy es eben nicht mehr richten kann. Da ist Geduld gefragt. Wobei ich in dem Bereich des Stehblocks, in dem ich stehe, schon meine Bedenken habe. Ob alle das einsehen und der Mannschaft Zeit geben, sich zu finden?

Der neue Trainer

Sebastian Hinze heißt der Neue an der Seitenlinie. Er kommt vom Bergischen HC, kennt sich also mit Löwen aus. Hinze war dort zehn Jahre Cheftrainer, zuvor im Jugendbereich tätig und davor bereits als Spieler beim Verein. Für ihn gilt es, sich schnell in einem neuen, größeren, mit ganz anderen Erwartungen behafteten Umfeld zurecht zu finden. Und es gilt, ein neues Team zu formen, das anders auftritt als zuletzt.

In einem Ausblick auf 2022/23 fällt es schwer, einzuschätzen, ob der neue Trainer der richtige Trainer sein wird. Ich persönlich bin sehr zufrieden mit Hinze als neuem Trainer, wobei er aus meiner Sicht einen Rucksack mit sich trägt, der hoffentlich nicht zu schwer wird. Es geht darum, dass er erst jetzt anfängt bei den Rhein-Neckar Löwen. Die Löwen haben die Entscheidung für Hinze früh bekannt gegeben, als noch über eine ganze Saison zu spielen war. Ist er es wert, dass man eine schwierige Übergangssaison überstehen musste?

Was, wenn es nicht läuft? Dann hätte man eine Saison zum Vergessen in Kauf genommen, ohne, dass sich das Warten gelohnt hätte. Eine Horrorvorstellung, denn das würde den Löwen weitere schwierige Jahre bescheren. Aber mein Ausblick auf die Zeit mit Hinze als Trainer ist eher positiv. Das wird passen, aber es wird Zeit brauchen.

Ein kurzer Ausblick auf die (mögliche) Spielphilosophie

Wird Hinze alles anders machen? Sicher nicht, aber es wird sicher einige deutliche Veränderungen geben. Zum einen ist eben Andy Schmid nicht mehr da. Zum anderen wird es, wie oben schon erwähnt, voraussichtlich deutlich weniger Abwehr-Angriff-Wechsel geben als bisher. Hinze scheut auch nicht vor einem 7-gegen-6 zurück, aber was ich so vom BHC gesehen habe ist das jetzt kein Mittel, das vorschnell hervorgekramt wird.

Die neuen Spieler – mehr zu diesen in meinem Ausblick, Teil II – erlauben eine Vielzahl an Möglichkeiten. Dies gilt sowohl für die Abwehr, als auch für den Angriff. Hierin könnte eine Stärke der neuen Löwen liegen: Variabilität, Ruhemöglichkeiten für die Spieler, und damit auch mehr Power hinten raus. Etwas, was den Löwen diese Saison doch des öfteren gefehlt hat.

Es wird ein schnelles Spiel gefragt sein. Dies hat auch der BHC, wann immer möglich, praktiziert. Ansonsten meine ich aus dem Positionsspiel heraus erkannt zu haben, dass neben den Anspielen an den Kreis gerade auch Einläufer von links und rechts durchaus beliebte Mittel des BHC-Angriffs waren. Etwas, was ich bei den Löwen zuletzt (zu) oft vermisst habe.

Der Co-Trainer aus dem hohen Norden

Wie Marc Stevermüer vom Mannheimer Morgen zuerst berichtete, wird Michael Jacobsen neuer Co-Trainer der Rhein-Neckar Löwen. Jacobsen kommt von der SG Flensburg-Handewitt, bei der er seit 2014 in verschiedenen Funktionen, v.a. im Jugendbereich, tätig war. Zuletzt war er Trainer der U21 und der A-Jugend.

Für mich ist Jacobsen der vielleicht spannendste Neuzugang der Rhein-Neckar Löwen. Ja, tatsächlich! Im Ausblick auf 2022/23 den Co-Trainer als spannendste Personalie zu nennen überrascht vielleicht, aber für mich gibt es gute Gründe dafür. Was man so über ihn lesen kann ist, dass er sehr engagiert ist in der Jugendarbeit und in der Verzahnung von Jugend- und Profibereich. Dabei ist er Realist genug, um zu wissen, dass der Sprung von der A-Jugend in den Profibereich eines international ambitionierten Vereins gewaltig ist.

Außerdem ist über ihn zu lesen, dass es ihm in seiner Zeit in Flensburg besonders darum ging, im Spiel einen guten Mix aus skandinavischer Individualität und deutscher Ordnung und Disziplin zu schaffen. All das klingt für mich danach, dass die Löwen sich zum einen in ihrer Spielweise diesem Ideal annähern und darüber hinaus die Jugendarbeit weiter stärken wollen. Ein vielversprechender Ansatz! Noch dazu, wenn man beachtet, was Löwen-Geschäftsführerin Jennifer Kettemann im Artikel auf der Website der Löwen zur Verpflichtung von Jacobsen zu dessen Aufgabenbereich neben der klassischen Tätigkeit als Co-Trainer sagt:

Michael wird sich insbesondere beim Thema Scouting mit Schwerpunkt Skandinavien und Nachwuchs einbringen sowie bei Karriereplanung und Integration der Junglöwen eine maßgebliche Rolle spielen.

Interessant ist, dass Jacobsen, der eigentlich nach eigener Aussage in der Region Flensburg Wurzeln geschlagen hat und sich mit seiner Familie dort sehr wohl fühlt, überhaupt nach Mannheim hat locken lassen. Da müssen die Verantwortlichen und Sebastian Hinze sehr überzeugend gewesen sein.

Es gibt einen Torwarttrainer!

Großartig! In einem Ausblick auf 2022/23 darüber schreiben zu können, dass die Löwen endlich (wieder) einen Torwarttrainer verpflichten, ist eine gute Sache. Hatte ich schon lange erhofft, und nun gibt es endlich einen.

Dragan Jerkovic heißt er, ist Kroate, 46 Jahre alt, hat bei etlichen Vereinen gespielt, u.a. bei Schaffhausen, Zagreb, Porto, Créteil, TVB Stuttgart und Eintracht Hagen, ehe er 2018 beim TSV Alfdorf/Lorch landete. Seit 2019 war er als Torwarttrainer bei den Kadetten Schaffhausen und an der Swiss Handball Academy tätig.

Ex-Löwe Žarko Šešum äußerte sich auf Twitter sehr positiv zu Jerkovic, und er ist auf alle Fälle davon überzeugt, dass die Löwen hier eine gute Lösung gefunden haben. Wie könnte ich Žarko widersprechen? Obwohl ich ihn bis dato nicht wirklich kenne ist er für mich eine interessante Lösung. Er kommt aus der jugoslawischen Handballtradition und trainiert nun mit Mikael Appelgren einen erfahrenen Skandinavier sowie mit Joel Birlehm und David Späth zwei junge deutsche Torhüter. Wenn die Torhüter der Löwen am Ende das Beste umsetzen aus diesen drei Regionen, aus denen regelmäßig hervorragende Torhüter hervor gehen, kann das für die Löwen nur von Vorteil sein.

Psychologie ist wichtig

Bereits während der laufenden Saison wurde mit Katharina Söhnlein eine Sportpsychologin fest ins Trainerteam aufgenommen. Angesichts dessen, dass die Mannschaft besonders in der ersten Saisonhälfte verunsichert wirkte, eine gute und sinnvolle Maßnahme. Hoffen wir, dass ihre Arbeit mit den Spielern zunehmend Früchte trägt.

Ein Athletiktrainer gehört auch zum Team

Florian Schulz, der sich im Verein bereits seit einer Weile u.a. um die Fitness der Profi-Mannschaft kümmert, rückt als Athletiktrainer und Teammanager fest in das Trainerteam der Profis auf. Auch dies ist, zumindest für mich, ein Zeichen, dass die Löwen daran arbeiten, sich besser aufzustellen und neue Strukturen aufzubauen. Beide Personalien – Katharina Söhnlein und Florian Schulz – sorgen bei mir für ein ganz gutes Gefühl beim Ausblick auf 2022/23.

Apropos neue Strukturen

Stabile, klare Strukturen bei den Löwen hatte Ljubomir Vranjes in seinem Abschiedsinterview mit dem Mannheimer Morgen als einen wesentlichen Punkt genannt, an dem die Löwen arbeiten müssen, und von denen der Erfolg in den nächsten Jahren abhängen wird. Dass in diesem Zusammenhang Oliver Roogisch damit nicht mehr in vorderster Linie tätig ist, gehört zu den neuen Strukturen bei den Löwen. So sehr ich „The Rogg“ mag: Es war überfällig!

Bei der Verabschiedung der Spieler am 08.06. hatte Jennifer Kettemann gesagt, dass die Löwen die beste Geschäftsstelle der Liga hätten. Bei keiner anderen Aussage war das Raunen um mich herum vernehmlicher als bei dieser. Zu Recht, wie ich meine. Klar, wir alle kennen die genauen Abläufe auf der Geschäftsstelle nicht. Aber das Bild, das die Löwen in den letzten Monaten, vielleicht sogar in den letzten (2-3) Jahren in der Öffentlichkeit abgaben, war ehrlich gesagt nicht immer das Beste. Andreas Palicka? Christopher Monz? Das sind beides keine Ruhmesblätter für die Löwen, wie auch die Kaderplanung/-zusammenstellung viel Kritik verdient, womit wir wieder bei Oliver Roggisch wären.

Und dann war da noch …

… Klaus Gärtner. In meinem Ausblick auf 2022/23 kommt er nur noch im Rückblick vor. Der zum Übergangs-Chef-Trainer beförderte Co-Trainer mit der Aussicht, danach wieder zurückgestuft zu werden zum Co-Trainer, ist aus meiner Sicht die ärmste Sau (man möge mir diesen Ausdruck verzeihen!). Er stellte sich in den Dienst des Vereins, als klar war, dass Martin Schwalb nicht verlängern und Sebastian Hinze erst jetzt, im Juli 2022, kommen würde. Damit ging er als „lame duck“ in die Saison, und es zeigte sich deutlich.

Bereits die Übergangsphase der Saison 2020/21, als Gärtner trotz der Anwesenheit von Schwalb mehr und mehr Chef-Aufgaben übernahm, war eher unglücklich. Die Löwen überzeugten selten, Gärtner wirkte da manchmal überfordert, und Schwalb etwas desinteressiert. Vielleicht ist gerade der letzte Punkt falsch, aber so stellte sich das nicht nur für mich dar.

Das Gefühl, dass das unter Gärtner nicht mehr besser wird, setzte sich dann auch in der neuen Saison fort. Viel zu spät gestand sich der Verein ein, dass diese Lösung keine gute Lösung war. Der Wechsel zu Vranjes war überfällig.

Klar: Einen Trainer von außen zu verpflichten, wenn klar ist, dass dieser ein Jahr lang lediglich den Platz auf der Bank für seinen Nachfolger Sebastian Hinze warm halten soll, wäre ein ganz schwieriges Unterfangen geworden. Hinze hatte bestimmt jetzt schon einen gewissen Einfluss auf die Löwen. Wer auch immer Trainer geworden wäre, hätte sich in dem Rahmen bewegen müssen. Er macht denn so etwas mit? Da erschien die Lösung mit Gärtner, einem, der den Verein in- und auswendig kennt, die beste Möglichkeit zu sein.

Mir gefiel diese Lösung von Anfang an nicht, auch wenn ich die Beweggründe der Löwen durchaus nachvollziehen konnte. Der Verein ist mit dieser Lösung auch gehörig auf die Schnauze gefallen. Wer sich das nicht eingesteht, macht sich selbst etwas vor.

Aber: Das Thema ist vorbei. Gärtner wird auf eigenen Wunsch nicht Co-Trainer werden, wird auch sonst keine Aufgabe im Verein übernehmen. Schade, aber wohl die einzig richtige Entscheidung.

Und nun?

Reden wir nicht drum herum: Bei den Löwen beginnen neue Zeiten. Kein Andy Schmid mehr, ein neuer Chef-Trainer, ein neuer Co-Trainer, neue Strukturen. Das wird Zeit brauchen, und Geduld. Viel Geduld, sowohl von den Verantwortlichen, als auch bei uns Fans. Keiner sollte erwarten, dass die Löwen in der kommenden Saison um die Meisterschaft spielen. Vielleicht wird das sogar noch zwei, drei Jahre dauern. Oder noch länger? Genau abzusehen ist das natürlich nicht.

Gelingt es den Löwen, uns Fans bei der Stange zu halten? Gelingt es, uns Fans mitzunehmen auf diesem Weg, auf dem es sicherlich auch Rückschläge geben wird? Das sind zwei wichtige Fragen, und ich bin gespannt auf die Antworten, die die Mannschaft geben wird. Und auf die Antworten des Teams hinter den Spielern. Für mich kann ich sagen, dass ich der Mannschaft Zeit geben werde. Das heißt nicht, dass ich nichts kritisieren werde. Es geht dabei auch nicht um Punkte, Tore, Siege oder Titel. Wichtig ist, wie die Mannschaft auftreten wird. Wichtig ist, wie der Verein in der Öffentlichkeit agiert.

Wer sich nun fragt, ob das ein positiver oder ein negativer Ausblick auf 2022/23 ist, dem kann ich sagen: Verhalten positiv trifft es vielleicht am besten.

Wer sich an dieser Stelle nun fragt, warum ich bisher nichts zu den Abgängen (außer bei Andy) und zu den neuen Spielern geschrieben habe: Auch dazu gibt es was. Aber der Ausblick auf 2022/23, der sich mit den Spielern beschäftigt, kommt erst morgen.