Unterwegs in Sachen Handball

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Da nimmst du dir vor, in dieser Saison außer nach Ludwigshafen zu mindestens einem Auswärtsspiel der Rhein-Neckar Löwen zu fahren. Du schaust dir an, wann welches Spiel ansteht. Und dann stellst du fest, dass eigentlich nur ein einziges Spiel in Frage kommt. Am 4. Spieltag. Bei der HSG Nordhorn-Lingen. Unterwegs in Sachen Handball, bis ins Emsland? Puuh!

Klappt’s?

Dann der Geistesblitz. In Lotte, eine knappe Stunde von Lingen weg, wohnt doch ein guter Bekannter. Da könnte ich doch mal anfragen. Habe ich dann auch getan, und die Antwort war klar: Kein Problem, ihr könnt kommen und bei uns übernachten.

Nächstes Thema: Tickets. Anfrage geschrieben an die Baden Lions, die bei der Geschäftsstelle nachfragten. Und auch von dieser Seite gab es grünes Licht: Tickets sind da! Unterwegs in Sachen Handball? Ja, wir werden zu dritt unterwegs sein.

Zu Gast bei Freunden

Zu dritt? Ja, denn alleine hätte ich die Tour nicht gemacht. Aber wenn die bessere Hälfte mitkommt und die Tochter auch, dann ist das prima. Junior musste leider passen; der Trainingstag mit der eigenen Mannschaft ging vor. So muss das ja auch sein!

Die Anreise nach Lotte war unspektakulär. Da wir früh los fuhren hatten wir keinen Stress, schnell voran zu kommen. Mit einer langen Mittagspause und einer kürzeren nachmittäglichen Pause waren die 400+ Kilometer gar kein Problem. Außer an einer Steigung ca. 15 km vor dem Ziel. Vor der wurde ausdrücklich mit großen Schildern gewarnt. Es waren dann gefährliche 4%. Ja, so haben wir auch aus der Wäsche geschaut …

Interessanter waren da schon die letzten 2-3 Kilometer. Wo einen Navis rum fahren lassen ist schon spannend und abenteuerlich. Dann aber waren wir endlich am vorläufigen Ziel in Lotte. Bei manchen Menschen freut man sich doppelt, wenn man sie sieht. So ging es mir. Kurz was trinken, ein bisschen quatschen (oder auch etwas mehr), und dann hieß es: Umziehen für das Spiel! Wir sind ja nicht zum Spaß hier!

Unterwegs in Sachen Handball – Ankommen in Lingen

Die letzte Etappe bis Lingen war extrem entspannt. So leere Autobahnen hätte ich bei uns hier auch mal gerne. Die EmslandArena war auch sehr leicht zu finden, und in Sachen Parkplätze war das großes Kino! Jede Menge gab es, und alle für lau. Sauber! Und was die Halle angeht war der erste Eindruck von außen nicht verkehrt. Kompakt gebaut, übersichtlich, gut. Dass wir beim Warten vor der Halle doch einige bekannte Gesichter sahen überraschte uns nicht. Die Baden Lions waren etwas vor uns angekommen, und so gab es einige angeregte Gespräche über die Anreise, die Unterkunft, und darüber, was denn wohl kommen wird.

Heimfans und etliche Menschen in Löwen-Gelb warten vor der EmslandArena in Lingen (Ems).
Warten vor der EmslandArena. Wenig überraschend waren wir nicht die einzigen Zuschauer in Löwen-Gelb.

Die EmslandArena von innen

Schmucke Halle, das muss ich sagen. Fragt mich aber nicht, warum beim Einlass nur zwei Türen geöffnet wurden. Was Taschenkontrollen sind hat sich anscheinend auch noch nicht bis ins Emsland herum gesprochen. Mit 3700 Zuschauern war die Halle ausverkauft, wie wir später vom Mann im roten Anzug erfuhren. Schöne, enge Halle, ohne dass sie “drückt”. Wir machten uns dementsprechend auf eine hitzige Stimmung gefasst.

Es geht los!

Die Löwen starteten mit einer ungewohnten Formation. Jerry Tollbring durfte auf Linksaußen ran und Gedeon Guardiola, der in der bisherigen HBL-Saison praktisch gar nicht auf der Platte stand, bildete zusammen mit Romain Lagarde den Mittelblock. Jannik Kohlbacher und Niclas Kirkeløkke, der erneut den verletzten Alexander Petersson vertrat, auf den Halbpositionen sowie Patrick Groetzki auf Rechtsaußen vervollständigten die Abwehrformation vor Mikael Appelgren.

In der EmslandArena. Gleich geht's los!
Gleich geht’s los!

Nordhorn-Lingen begann im Angriff, und eines kann man ihnen nicht absprechen: Sie hatten Bewegung drin. Dennoch kamen die Löwen in Ballbesitz, doch Groetzki scheiterte beim Tempogegenstoß an Buhrmester im Tor der Hausherren. Appelgren mit seiner ersten Parade, dann Fehlpass von Kirkeløkke, doch auch Nordhorn-Lingen verpasste sich (Ja, der Satz ist so gewollt!). Die Löwen taten sich schwer, trotz ziemlich Tempo. Lagarde war es vorbehalten, nach knapp über drei Minuten endlich das erste Tor der Partie zu erzielen.

Ein zäher Beginn

Wieder Guardiola mit dem Steal, doch vorne eine erneute Unkonzentriertheit inkl. Ballverlust, aber die gute Rückzugsbewegung der Löwen verhinderte den schnellen Ausgleich. Erneut kein Tor für die Löwen, da Kirkeløkke frei an Buhrmester scheitert. Erst, als Kohlbacher nach 6:20 Minuten den Ball hat, klingelt es zum 0:2. Rund 90 Sekunden später war es Guardiola, der mit einem Tempogegenstoß das 0:3 erzielte. Überhaupt Guardiola: Der machte ein gutes Spiel, war in der Abwehr sehr präsent. Das war Werbung in eigener Sache.

Die sehr kompakte, leichtfüßige Abwehr der Löwen verhinderte viel, erstickte die Bemühungen der Gastgeber oft schon im Keim. Nur den Siebenmetertreffer durch Robert Weber nach 8:49 Minuten konnte die Abwehr nicht verhindern, und auch Appelgren war chancenlos. Kohlbacher scheitert an Buhrmester, aber die Gastgeber können nicht verkürzen. Wenn man so will war das die einzig kritische Phase im Spiel.

Langweilig …

… war es dennoch nicht. In unserem Block wurde jede Parade von Appelgren gefeiert, und auch sonst war die Stimmung gut. Man ist ja nicht unterwegs in Sachen Handball, um dann leise auf dem Platz zu sitzen. OK, die Dame gleich neben uns hatte jetzt wohl keinen ganz so netten Abend. Sie hielt sich jedenfalls mit angestrengtem Blick fast durchgängig das linke Ohr zu. Wir waren ihr anscheinend zu laut, aber das war ja Handball, nicht Schach. Unterwegs in Sachen Handball heißt halt auch, dass du alles versuchst, gegen die Heimfans anzukommen. Was, von wenigen Ausnahmen abgesehen, gar nicht so schwierig war. Überraschend ruhig war es, zumindest gefühlt. Kein Vergleich zur Eberthölle in Ludwigshafen!

So ganz allmählich bauten die Löwen ihren Vorsprung aus, sodass die HSG beim 1:6 nach 14:18 Minuten bereits ihre zweite Auszeit nehmen musste. Nach fast 16 Minuten durfte dann auch mal Uwe Gensheimer ran, für seinen ersten Siebenmeter des Tages, den er sicher verwandelte. Mehr als Siebenmeter auszuführen musste er übrigens das ganze Spiel über nicht machen.

Und was tat Kristján Andrésson? Er wechselte ab der 17. Minute durch. Fäth und Nielsen für Lagarde und Kohlbacher, später dann für mehrere Minuten Mensah für Kirkeløkke, so sah die Belastungsverteilungsmaßnahme des Löwen-Trainers aus. Ansonsten blieb alles gleich wie vorher. Eine aufmerksame Abwehr der Löwen lässt praktisch nichts zu, Appelgren nimmt die wenigen guten Würfe fast alle weg, doch vorne hapert es weiter mit der Effektivität. Statt mit 6:12 hätte es jedenfalls locker mit 6:15 oder 6:16 in die Halbzeit gehen können.

Und die 2. Halbzeit?

Joah, die ist eigentlich recht schnell erzählt. Die Löwen ließen ein wenig nach in der Abwehr, gaben den Hausherren damit doch ab und an die Gelegenheit, mit guten Aktionen zum Tor zu kommen. Appelgren blieb nach wie vor gut, Tim Ganz kam für Groetzki, Schmid blieb die letzten zehn Minuten draußen. Vorne blieb es mit und ohne Schmid dabei, dass die Löwen nicht wirklich überzeugend auftraten, ihren Vorsprung aber doch Zug um Zug ausbauten. Da fehlt noch einiges an Timing und Abstimmung. Irgendwie hatte ich in der Halle die Vermutung, dass die Löwen über weite Strecken mit angezogener Handbremse spielten. Verständlich, und für Nordhorn-Lingen war das gut so.

In Sachen Torverhältnis aber war das eine verpasste Chance der Löwen, mal so richtig einen rauszuhauen. Am Ende waren es “nur” +10; es hätten +20 sein können (oder müssen?). Unterwegs in Sachen Handball, für ein lockeres Spiel, bei einem Aufsteiger? Ja, warum nicht? Wer übrigens den Spielbericht der Löwen lesen möchte, kann diesem Link folgen: Website Löwen.

Ich wurde via Twitter gefragt, was ich zu Nordhorn-Lingen meine, zu deren Chancen, die Liga zu erhalten. In Kurzform: So haben sie keine Chance! Mir fehlte die Leidenschaft, mit der z.B. die Eulen zu Werke gehen. Dazu kommt, dass die individuelle Klasse einfach nicht da ist. Nicht falsch verstehen: Das sind durchweg gute Handballer, aber die 1. Liga ist eigentlich ein anderer Sport als die 2. Liga. Da braucht es Verstärkungen und /oder ein deutliches Plus in Sachen Leidenschaft

Zu wenig Temperament

Die Spieler von Nordhorn-Lingen waren durchaus engagiert und mit Einsatz bei der Sache. Das alles möchte ich ihnen nicht absprechen. Doch die Giftigkeit anderer Teams, die Berserkeraktionen, mit denen du dir Respekt verschaffst, auch wenn es mal eine Zeitstrafe gibt, die haben mir persönlich gefehlt. Ohne die fällt es dann halt noch mehr auf, dass die individuelle Klasse nicht so ganz erstligareif ist.

Nette Gespräche nach dem Schlusspfiff

Das sagte ich auch zu zwei Fans der HSG Nordhorn-Lingen, die (noch) ein wenig älter waren als ich. Das war zu brav. Wie sagte doch der eine Herr: “Unsere Jungs sind zu lieb!”. Da hat er Recht! Bis zur Galligkeit der Eulen, bis zum bedingungslosen Einsatzwillen eines HBW Balingen-Weilstetten oder anderer Mannschaften ist es doch ein deutlicher Abstand. Ein weiterer Faktor, den ich oben bereits erwähnt habe: Die Halle. Als ich mir die Aufzeichnung des Spiels angeschaut habe kam die Stimmung in der Halle etwas besser rüber als an unserem Platz. Verglichen mit anderen Hallen fand ich das jedoch eher gedämpft. Da ist noch Luft nach oben.

Zurück zu dem netten Gespräch. Das war für mich wieder ein Beispiel dafür, wie so ein Spiel ablaufen soll: Man feuert seine Mannschaft an, respektiert den Gegner, und nach dem Spiel kann man sich miteinander unterhalten. Gelebter Handball, sozusagen.

Immer noch unterwegs in Sachen Handball

Nach dem Spiel ging es dann zurück nach Lotte. Dort angekommen begaben wir uns dann doch recht bald in die Horizontale, denn der Tag war ja schon lang gewesen. Unsere ziemlich schräge Schlafgelegenheit entpuppte sich im Wesentlichen als gut geeignet zum Schlafen und Erholen.

Nach einem leckeren Frühstück am nächsten Morgen machten wir uns auf den Heimweg. Mit genauso wenig Zeitdruck unterwegs zu sein wie auf dem Hinweg macht wirklich Laune. Eine kurze Pause von 15 Minuten unterwegs, dann Station bei Mandy’s in Heidelberg (ich testete einen veganen Süßkartoffelburger und fand den tatsächlich gut), und dann endgültig nach Hause.

Lohnte sich das denn?

Die Frage kann man durchaus stellen, aber wohl nur, wenn man nicht mit ganzem Herzen dabei ist. Wir waren unterwegs in Sachen Handball, und zwar zwischen Abfahrt und Rückkehr für mehr als 36 Stunden. Unsere dabei zurück gelegte Strecke: 1017 Kilometer. Und wofür? Um “unser” Team zu unterstützen. Um Freunde zu besuchen. Um Spaß zu haben.

Ja, es hat sich gelohnt!

Ein letzter Blick zurück auf die EmslandArena.
Tschüss, EmslandAren! War schön hier!