Der Termin-Wahnsinn im Handball greift um sich

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Ich könnte mich jetzt über das Spiel der Löwen gegen den FC Barcelona auslassen, aber das habe ich ja schon getan. Oder über das gestrige Spiel gegen Wisla Plock, aber das überlasse ich dieses Mal ganz den Löwen selbst. Thema dieses Blogbeitrags ist dennoch die Velux EHF Champions League (und die DKB HBL). Genauer: der Termin-Wahnsinn, den diese Champions League mit sich bringt.

Wobei die Champions League alleine ja gar nicht schuld ist. Das Grundübel für diesen Termin-Wahnsinn sind die viel zu vielen Spiele, die ein Top-Team der DKB HBL zu spielen hat. Dazu später mehr. Zunächst einmal für alle, die das insgesamt nicht so auf dem Schirm haben, ein Überblick, um was es eigentlich geht. Konkret sind dies zwei Punkte:

  • Die Löwen dürfen/müssen Anfang Oktober vier Spiele in sieben Tagen bestreiten. Es handelt sich dabei um die Partien gegen den THW Kiel (01.10., DKB HBL, Heimspiel), gegen den TSV Hannover-Burgdorf (03.10., DKB HBL, Heimspiel), gegen den TV Hüttenberg (05.10., DKB HBL, Heimspiel) und gegen IFK Kristianstad (07.10., EHF CL, Auswärtsspiel)
  • Am 11.11. spielen die Löwen in der DKB HBL in Leipzig. Das Spiel wird in der ARD übertragen. Keine 24 Stunden nach Schluss des Spiels in Leipzig müssen die Löwen in der EHF CL in (!) Barcelona antreten.
4 Spiele in 7 Tagen. Dann noch 2 Spiele in 2 Tagen - Der komplette Termin-Wahnsinn!

So sieht der Wahnsinn im Handball aus

Schauen wir uns beide Gegebenheiten mal etwas genauer an. Dabei geht es insbesondere darum, wie diese Konstellation zustande gekommen ist. Fangen wir mit Termin-Wahnsinn #1 an: Vier Spiele in sieben Tagen. Das Spiel gegen den THW Kiel findet zum ursprünglich geplanten Termin statt. Bis hierhin ist noch alles in Ordnung. Auch das Spiel gegen den TV Hüttenberg am 05.10. war genau für diesen Tag terminiert, liegt damit also im normalen Rahmen.

Das Spiel in Kristianstad hätte vielleicht auch am Sonntag ausgetragen werden können. Da die EHF aber keine fixen Termine für die Partien der EHF CL vorgibt und es auch keine Regelung gibt, dass eine Mannschaft mindestens zwei spielfreie Tage haben muss, konnte Kristianstad die Partie auf den Samstag legen. Verständlich aus deren Sicht, denn warum sollen sie den Löwen einen Tag mehr Pause gönnen, wenn sie es nicht müssen? Für die Termine der DKB HBL ist Kristianstad nicht verantwortlich zu machen.

Bleibt noch das Spiel gegen “Die Recken” am 03.10., denn das hat da eigentlich nichts zu suchen, ist es doch ein Spiel des 10. Spieltags. Das Kiel-Spiel gehört zum 7. Spieltag, das Spiel gegen Hüttenberg zum 8. Spieltag. Dazwischen wird das Spiel gegen Hannover-Burgdorf gequetscht, denn am eigentlichen Termin belegt Helene Fischer für mehrere Tage die SAP-Arena. Von daher musste das Handballspiel weichen.

Nur: wann soll gespielt werden? Oder besser: Wann kann gespielt werden? Die durch den neuen TV-Vertrag mit Sky vereinbarten Spieltermine Donnerstag und Sonntag (mit dem Samstag als Ausweichtermin) sind in der SAP Arena bis Weihnachten ausgebucht. Eine Ausnahme wäre wohl das Wochenende 28./29.10., denn das steht im offiziellen SAP-Arena-Terminkalender nichts drin. Dumm nur, dass an den beiden Tagen die Nationalmannschaft gegen Spanien spielt. Hier ein Bundesligaspiel anzusetzen ist sicher suboptimal, scheidet also aus.

Damit blieb letztlich nur der Dienstag, 03.10. übrig. Die Löwen sind darüber sicher nicht glücklich, aber anders geht es nicht. Diese Konstellation ist sicher nicht schön, und es wäre gut, wenn ein solcher Termin-Wahnsinn vermieden werden könnte. Aber gut: Alle zwei Tage ein Spiel, das hat was von EM- oder WM-Feeling. Könnte also gut gehen. Einziger Haken: Anders als bei einer EM oder WM haben nur die Löwen diesen Rhythmus, nicht aber deren Gegner.

Ganz anderer Aspekt dieses Heimspiel-Dreierpacks: Drei Heimspiele in fünf Tagen sind auch für den normalen Zuschauer kein Zuckerschlecken. Wenn du dann noch dazu als Fan richtig mitgehst noch viel weniger. Drei Heimspiele der DKB HBL in fünf Tagen – und dann dauert es (voraussichtlich) 59 (!) Tage, bis das nächste Heimspiel in der DKB HBL ansteht. Nimmt man die EHF CL und den DHB Pokal hinzu komme ich auf neun (!) Auswärtsspiele der Löwen in Serie. NEUN! Da stimmt was nicht, aber ganz und gar nicht.

Kommen wir nun aber zum Höhepunkt, was den Termin-Wahnsinn im Handball angeht. Die Löwen dürfen am Samstag, 11.11. (“Wolle mer se roilasse?”) in Leipzig antreten. Das Spiel wird in der ARD übertragen und ist damit eines der insgesamt zwölf Spiele dieser Saison, die im Free-TV gezeigt werden. Schön für Leipzig, schön für die Löwen, denn ein derart großes Publikum für ein normales Spiel in der DKB HBL gibt es üblicherweise nicht. M;an profitiert davon, dass die Fußball-Bundesliga an diesem Wochenende pausiert. Das an sich ist etwas Gutes, denn oft genug haben Handballfans schon gefordert, dass der Handball ins Öffentlich-Rechtliche Fernsehen muss. Nun hat man die Bühne. Toll! Nur …

Dummerweise spielen die Löwen am nächsten Tag bereits in der EHF Champions League in Barcelona. Es bleiben also weniger als 24 Stunden nach der Schlusssirene in Leipzig, um aus der Halle, zum Flughafen, nach Barcelona, dort ins Hotel und ins Bett, wieder aus dem Bett, zum Frühstück und irgendwann zur Halle zu kommen, um dann gegen den FC Barcelona zu spielen. Also nicht gegen ein Feld-und-Wiesen-Team, sondern gegen eine der besten Mannschaften weltweit. Wer denkt sich denn einen solchen Termin-Wahnsinn aus?

Laut eigener Aussage haben die Löwen die EHF und die HBL bereits seit Monaten darauf hingewiesen, dass es zu einer solchen Konstellation kommen kann. Bekanntermaßen gibt es keine fixen Termine für die Champions-League-Spiele. Die EHF gibt einen Zeitraum von Mittwoch bis Sonntag vor. Aus verständlichen Gründen möchte Barcelona die Heimspiele der EHF CL am Wochenende austragen. Die heimische Liga ist für Barcelona bei besseres Trainingslager, denn ernsthafte Spiele gibt es kaum. Vielleicht mal gegen Ademar Leon, aber sonst? Der Focus bei Barcelona ist absolut auf die EHF CL gerichtet. Das kann man Barcelona meiner Meinung nach auch gar nicht vorwerfen. Ich würde das anstelle der Verantwortlichen in Barcelona wohl genauso sehen. Hier gilt dasselbe wie vorhin in Bezug auf Kristianstad: Warum sollte Barcelona den Löwen entgegen kommen, solange es dafür keine verbindlichen Regeln gibt?

Die Frage, die ich mir stelle, ist daher eine andere: Warum musste es denn ausgerechnet die Partie Leipzig gegen Löwen sein, die am Samstag, 11.11. in der ARD laufen muss? Wenn ich mir die Spiele dieses Spieltags anschaue springt mir sofort Füchse Berlin gegen Flensburg-Handewitt ins Auge. Nur: Auch die SG spielt in der EHF CL, und zwar am Samstag, 11.11., in Brest. Zwei Spiele an einem Tag geht nun doch nicht – obwohl … vielleicht irgendwann ja doch mal – und nur zwei Tage nach dem sicher nicht einfachen Spiel in Berlin dann in Weißrussland zu spielen, darüber ist die SG bestimmt auch nicht glücklich.

Ansonsten hätte sich vielleicht das Derby Melsungen gegen Wetzlar angeboten. Das aber war den Verantwortlichen bei ARD und HBL wohl zu unattraktiv. Beim Normal-Zuschauer kennt man vielleicht Kiel, eventuell auch Flensburg oder die Löwen, aber wer kennt schon außerhalb der Handballfans Melsungen und Wetzlar? Ist nicht despektierlich gemeint! Aber im Ernst: Wer?

Von daher ist die Entscheidung, das Spiel der Löwen in Leipzig zu zeigen, aus Sicht der ARD (und der HBL) nachvollziehbar. Denn wenn schon mal ein Spiel in der ARD gezeigt werden kann und darf, dann sollte es eins sein, das durchaus Spannung verspricht und bei dem eben auch der amtierende Deutsche Meister spielt. Nur gibt es da halt auch noch die EHF CL, und die gut gemeinte und nachvollziehbare Entscheidung, Leipzig gegen Löwen in der ARD zu zeigen, führt zu einem brutalen Termin-Wahnsinn für die Löwen.

Womit ich bei den Löwen selber wäre. In einem Artikel auf der Löwen-Website sind folgende Aussagen zu lesen.

„Zwei Spiele an zwei Tagen, ohne Regeneration und Vorbereitung, verbunden mit einer Reise von Leipzig nach Barcelona, das hat es in der Vergangenheit noch nicht gegeben. Hier wurde ganz klar eine Grenze überschritten, was wir so nicht akzeptieren können“

Das war die Aussage von Oliver Roggisch, Sportlicher Leiter der Löwen, zu dieser Terminansetzung. Geschäftsführerin Jennifer Kettemann äußerte sich folgendermaßen:

„Wenn es nach mir gegangen wäre, hätte unsere 2. Mannschaft die Partie in Barcelona absolviert. Ich bin sehr stolz auf unsere Spieler, die dieses Spiel in Barcelona aber unbedingt spielen wollen, weil es eben auch etwas Besonderes ist, in der Champions League an den Start zu gehen“

Und weiter:

“… Samstag und Sonntag, zwei Auswärtsspiele zu absolvieren, das sprengt eigentlich meine Vorstellungskraft“, so Kettemann abschließend, die gleichzeitig hofft, „dass so ein Fall im gesamten europäischen Handball nie wieder vorkommt. Jeder Club sollte eine Pause von mindestens drei Tagen zwischen zwei Pflichtspielen haben“, fordert Kettemann ein Umdenken bei der Terminansetzung.

Ich kann vieles davon nachvollziehen. Ja, auf den Charakter der Spieler kann man stolz sein. Sich diesem Termin-Wahnsinn zu stellen und dennoch das Beste geben zu wollen, das verdient Respekt. Die Forderung, zwischen zwei Pflichtspielen drei Tage zu haben, also zwei freie Tage, ist nachvollziehbar und richtig. Ich sehe allerdings einige Probleme auf dem Weg dahin, und vor allem ein ganz großes Problem. Wenn die Löwen tatsächlich sowohl in Leipzig als auch in Barcelona in Bestbesetzung antreten und vielleicht sogar noch gute bis sehr gute Ergebnisse erzielen – was sendet das für ein Signal? Man könnte das interpretieren als “Geht doch!”, als “Was regt ihr euch eigentlich auf?”, als “War ja doch nicht so schlimm!”. Ob das dann hilft?

Ich bin weit davon entfernt, den Löwen in Barcelona ein Debakel zu wünschen. Aber was, wenn sich die Löwen in Leipzig und in Barcelona toll verkaufen und ein oder zwei Spieler verletzen sich, weil sie einfach müde sind? Ist es das wert? Kann man sich von dem Stolz auf die Mannschaft, von der Charakterstärke der Mannschaft dann etwas kaufen? Unter Umständen ruiniert man sich damit die gesamte Saison.

Wenn Oliver Roggisch sagt, dass ganz klar eine Grenze überschritten wurde, und dass man das so nicht akzeptieren kann, und dann spielt man doch beide Spiele in Bestbesetzung – akzeptiert man diesen Termin-Wahnsinn dann nicht doch? Letztlich alles mitzumachen ist in meinen Augen ein Akzeptieren der Gegebenheiten. So sehr ich den Wunsch der Mannschaft, in Barcelona zu spielen, verstehen kann – das einzig Richtige wäre wirklich, die 2. Mannschaft nach Barcelona zu schicken und damit ein deutliches Zeichen zu setzen, dass man diesen Irrsinn nicht mitmacht. Warum meldet man die komplette 2. Mannschaft für die EHF CL, wenn man in einer solchen Situation davon keinen Gebrauch macht? Wann dann? Wenn zwei Spiele an einem Tag sind? Ich warte auf den Tag, an dem es soweit kommt.

Nur Meckern kann aber auch nicht das Gelbe vom Ei sein. Noch bin ich mir nicht sicher, wie ein solcher Spielplan eventuell aussehen könnte, aber so ein paar Ideen habe ich. Wenn diese Ideen ein wenig ausgereifter sind werde ich sie euch hier vorstellen. Stay tuned!