Die Löwen und die nächste Saison

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Es ist noch keine vier Monate her, dass ich ein wenig in Richtung der Saison 2018/19 spekuliert habe. Mittlerweile hat sich aber für die nächste Saison 2017/18 einiges bei den Löwen getan. Nicht ausgeschlossen, dass noch mehr passiert, aber das ist derzeit noch Zukunftsmusik. Da die Saison 2016/17 gerade erfolgreich zu Ende ging ist das ein guter Zeitpunkt, vor der Sommerpause einen Blick voraus zu wagen. Schauen wir uns die einzelnen Positionen etwas genauer an (in Klammern: Alter am 01.07.2017, Vertrag bis …, Nationalität).

Torhüter: Mikael Appelgren (28, 2021, SWE), Andreas Palicka (31, 2019, SWE)

Ein ganz starkes Duo, mit dem sich die Löwen vor keinem Team der DKB HBL verstecken müssen. Appelgren hatte mehrere Spiele, die er entscheidend mit geprägt hat. Er hat sich in den zwei Jahren bei den Löwen kontinuierlich verbessert und hat immer noch Luft nach oben (Tempogegenstoß!). Palicka konnte ebenfalls in diversen Spielen deutliche Akzente setzen. Beide gehören noch lange nicht zum alten Eisen. Halten beide ihr Niveau, oder steigern sie es sogar noch, wäre eine Vertragsverlängerung für beide absolut denkbar. Hier sind die Löwen meiner Meinung nach hervorragend besetzt.

Linksaußen: Gudjon Valur Sigurdsson (38, 2018, ISL), Jerry Tolbring (22, 2020, SWE)

Oldie, but Goldie, kann man bei Sigurdsson nur sagen. Was er letzte Saison gezeigt hat war großartig. Er ist ein absoluter Musterprofi und ein Vorbild für alle anderen Spieler. Wenn er will und man sich einigen kann würde ich ihm eine Vertragsverlängerung geben, sodass er irgendwann als Löwe seine Spielerkarriere beenden kann. Auf Neuzugang Jerry Tollbring freue ich mich sehr. Ein toller, hoch-talentierter junger Spieler, der mit Kristianstadt einiges an Champions League Erfahrung sammeln konnte. Außerdem ist er ein sehr zuverlässiger Siebenmeterschütze. Er muss sicher noch einiges lernen, v.a. in der Abwehrarbeit, und er muss sich erst noch an die HBL gewöhnen. Aber das bekommt er hin, davon bin ich überzeugt, zumal er von einem der Besten lernen kann. Insgesamt eine für die nächste Saison sehr gut besetzte Position.

Linker Rückraum: Filip Taleski (21, 2021, MKD), Momir Rnic (29, 2018, SRB)

Auf Taleski ruhen viele Hoffnungen. Er ist äußerst talentiert, hat eine enorme Spannweite und einen, wie ich finde, technisch sehr guten Wurf. Ob sein schmaler Körper den Belastungen der HBL stand hält bleibt abzuwarten. Er muss noch lernen, und nicht wenig. Spielzeit wird er vermutlich – hoffentlich – genügend bekommen. Momir Rnic ist als Übergangslösung für ein Jahr vorgesehen. Ihn fand ich in Göppingen sehr gut, während er mich im Trikot der MT Melsungen nur selten überzeugt hat. Hier bleibt abzuwarten, wie er an der Seite von Andy Schmid agieren wird. Blüht er auf oder passt das nicht? Spannende Frage. Eines dürfte aber klar sein: der Verlust von Kim Ekdahl du Rietz wiegt schwer. In der Form, die der Schwede diese Saison zeigte, dürfte er von beiden nicht zu ersetzen sein. Könnte mir gut vorstellen, dass auf dieser Position auch Mads Mensah Larsen Spielanteile bekommt. Für mich die nominell schwächste Position im Löwenteam, was die nächste Saison angeht. Die große Frage darüber hinaus lautet natürlich: wen holen die Löwen 2018 für die Königsposition?

Rückraum Mitte: Andy Schmid (33, 2020, CH), Mads Mensah Larsen (25, 2020, DEN)

Schmid ist unumstritten die absolute Nr. 1 auf dieser Position. Das Niveau, das Schmid bereits seit mehreren Jahren praktisch durchweg abruft, ist unfassbar hoch. Kann er das Niveau weiterhin halten? Bleibt er verletzungsfrei? Eins ist klar: fällt Schmid verletzungsbedingt längere Zeit aus sieht es düster aus. Nicht, dass Mensah nicht auf Mitte spielen könnte, aber er muss einen großen Schritt nach vorne machen. Seine Leistungen waren dieses Jahr einfach zu schwankend, und seinen besten Handball konnte er zu selten abrufen. Noch ist er recht jung, aber gerade nach dem Abgang von du Rietz muss von ihm mehr kommen. Hält Schmid sein Niveau und macht Mensah den Schritt nach vorne eine perfekt besetzte Position.

Rechter Rückraum: Alexander Petersson (36, wird am 02.07. 37, 2019, ISL), Harald Reinkind (24, 2019, NOR)

Alexander Petersson – was soll man zu ihm noch sagen? Vor ein, zwei Jahren dachte ich, seine Karriere ist wegen seiner Schulterprobleme demnächst vorbei, und nun? Er spielt und spielt und spielt, und das immer mit vollem Einsatz. Ob er das Niveau halten kann? Ich werde nicht dagegen wetten. Bei Harald Reinkind hoffe ich, dass bei ihm, ähnlich wie bei Mads Mensah Larsen, der Knoten mal richtig – und dauerhaft! – platzt. Er hat so ein großes Potenzial, das er aber viel zu selten abruft. Ob die nächste Saison mehr Spielzeit für ihn bringt? Mit Petersson hat er natürlich einen Giganten vor sich, doch ich traue es ihm zu. Die nächste Saison wird zeigen, ob der Trainer Reinkind ausreichend Vertrauen und Spielzeit gibt – und ob dieser das dann auch nutzen kann. In meinen Augen ist der rechte Rückraum eine gut (wenn sich Reinkind nicht steigert) bis sehr gut (wenn sich Reinkind steigert) besetzte Position.

Rechtsaußen: Patrick Groetzki (27, 2020, GER), Bogdan Radivojevic (24, 2019, SRB)

Über Patrick Groetzki brauche ich wohl nicht viele Worte verlieren. Schnell, dynamisch, engagiert, torgefährlich und noch dazu eine der Identifikationsfiguren bei den Löwen. Aus der Mannschaft ist er eigentlich nicht wegzudenken. Bei Radivojevic bin ich nach wie vor skeptisch. Zu selten hat er mich in Spielen der SG Flensburg-Handewitt, die ich gesehen habe, überzeugt, und auch einige Fans der SG trauern ihm jetzt nicht so sehr nach. Ich denke, die Löwen wollten hier einen Spieler als Alternative für Groetzki haben, der noch jung ist, der aber die Liga kennt, Champions League Erfahrung hat und auch schon in der Nationalmannschaft Spiele absolviert hat. Bekommt es Radivojevic hin, den ab und an zu beobachtenden Leichtsinn und die Unkonzentriertheit im Abschluss weitestgehend abzustellen haben die Löwen einen guten Griff getan. Auf einer anderen Ebene wird er Marius Steinhauser, der den umgekehrten Weg geht, wohl nicht ersetzen können: Steini ist nun mal ein Kind der Region, der mit seiner Art sofort bei den Fans sehr beliebt war. Erzielt Radivojevic viele Tore für die Löwen wird dieser Faktor aber keine allzu große Rolle spielen. Insgesamt eine Position, die an (internationaler) Erfahrung gewonnen hat. Ob die Löwen damit auf Rechtsaußen letztlich besser aufgestellt sind bleibt abzuwarten. Im Moment bin ich da noch etwas unentschieden.

Kreis: Gedeon Guardiola (32, 2020, ESP), Hendrik Pekeler (25, wird am 02.07. 26, 2018, GER), Rafael Baena Gonzalez (34, 2018, ESP)

Guardiola ist für mich einer der drei stärksten Abwehrspieler der Liga. Wie er die Abwehr der Löwen organisiert ist phänomenal; ein echter Fels in der Brandung. Zumal in Verbindung mit Pekeler, der sowohl defensiv als auch offensiv einen ordentlichen Schritt nach vorne gemacht hat. Dieser Mittelblock ist sicher unter den Top 3 der Liga zu sehen. Baena dagegen ist ein ganz anderer Typ Kreisläufer, der auch nur offensiv eingesetzt wird (und das ist gut so!). Insgesamt betrachtet sind die Löwen hier sehr gut aufgestellt. Schwierig wird es dann 2018, wenn Pekeler und – so meine Vermutung – auch Baena gehen werden. Zwar kommt mit Jannik Kohlbacher ein toller, junger, deutscher Kreisläufer, der durchaus mal in der Abwehr eingesetzt werden kann, aber hier werden die Löwen nochmals aktiv werden müssen. Ein starker (Rückraum)Spieler, der im Mittelblock spielen kann, wäre ein Traum. Für die nächste Saison aber gilt, dass Kreis und Mittelblock meiner Ansicht nach Positionen sind, die wegen der dazu gewonnenen Erfahrung nochmal stärker einzuschätzen sind.

Trainer/Sportliche Leitung: Nikolaj Jacobsen (45, 2019, DEN), Klaus Gärtner (42, 2018, GER), Oliver Roggisch (38, 2020, GER)

Eines ist unbestreitbar: Mit Jacobsen haben die Löwen einen Top-Trainer an der Seitenlinie. Der dänische Vulkan, der privat eher ruhig sein soll, staucht seine Spieler während des Spiels gerne mal zusammen, wenn er unzufrieden ist. Ich persönlich würde mir wünschen, dass er den Spielern aus der zweiten Reihe mehr Spielanteile gibt. Allerdings sind die Löwen nun zweimal hintereinander Deutscher Meister geworden. Der Erfolg gibt Jacobsen also recht. Spannend wird es, wenn die EURO 2018 ansteht. Da er auch Trainer der dänischen Nationalmannschaft ist bleibt abzuwarten, wie er das auf Dauer hinbekommt. Ich traue es ihm durchaus zu, diese Doppelbelastung zu meistern, aber einfach wird das nicht. Das ist dann der Moment, in dem Klaus Gärtner als Co-Trainer stärker ins Spiel kommt. Wie die beiden sich die Trainingsarbeit dann aufteilen? Gute Frage. Etliche Nationalspieler werden während der EM sowieso nicht in Kronau sein. Ich bin gespannt, wie das hinhaut.

Oliver Roggisch kümmert sich zusammen mit Jacobsen darum, welche Spieler gehalten werden sollen und natürlich auch darum, welche geholt werden sollen, welche also passen würden. Dabei geht es beiden, da bin ich sicher, nicht nur um den sportlichen, sondern nicht zuletzt auch um den (zwischen)menschlichen Aspekt. Genau das ist es ja, was die Löwen in den letzten Jahren seit Abgang des Perlenkaspers so stark gemacht hat. Roggisch meinte am 11.06. auf der Saisonabschlussfeier, dass seine Zeit erst noch kommt, in der er beweisen muss, eine schlagkräftige Mannschaft zusammenstellen zu können. Es wird kein leichtes Unterfangen, aber ich bin da durchaus optimistisch.

Geschäftsführerin: Jennifer Kettemann (psst!, 2020(?), GER)

Zu einer einigermaßen vollständigen Betrachtung der Löwen in der nächsten Saison gehört auch ein Blick auf die Geschäftsführerin. Ich war bei der Verpflichtung von Jennifer Kettemann zugegebenermaßen etwas überrascht. Nur Teilzeit-Geschäftsführerin (wegen ihres Jobs bei der SAP), noch dazu unerfahren im Handball? Ob das die richtige Entscheidung in einer nach wie vor schwierigen Situation (Stichwort: Altlasten) ist? Meine Reaktion war daher ein skeptisches “Hmmm …”. Mittlerweile hat sich das aber in ein “Sehr gut!” gewandelt (u.a., weil sie inzwischen nur noch für die Löwen arbeitet). Jennifer Kettemann hat mit ihrer sachlichen und unaufgeregten Art einiges bewirkt. Vielleicht war/ist der Blick von außen letztlich ein Vorteil. Neben der Sponsorensuche ist es u.a. ihre Aufgabe, die Wünsche der sportlichen Leitung (Jacobsen/Roggisch) auf Machbarkeit zu prüfen bzw. das Gewünschte machbar zu machen. Bisher ist das gut gelungen. Allein unter Männern hat sie sich in der HBL, soweit das diversen Berichten zu entnehmen ist, schnell Respekt verschafft und ihren Platz gefunden. Wenn es Jennifer Kettemann jetzt noch gelingen sollte, bei der Sponsorensuche so erfolgreich zu sein, dass der Kader breiter aufgestellt werden kann, ohne bei der sportlichen Qualität Abstriche vornehmen zu müssen, ändere ich mein “Sehr gut!” in ein “TOP!”. Versprochen!

Mein Fazit

Die "Gelbe Wand" vor dem letzten Saisonspiel 2016/17

Die “Gelbe Wand” vor dem letzten Saisonspiel 2016/17

Die nächste Saison dürfte für die Löwen schwierig werden. Der Kader ist immer noch der kleinste unter den Top-Teams. Kim Ekdahl du Rietz ist nicht gleichwertig zu ersetzen, auf Rechtsaußen sehe ich noch ein Fragezeichen, und ob Mensah sowie Reinkind den erforderlichen Schritt nach vorne machen bleibt abzuwarten. Berücksichtigt man dann noch, dass Kiel mit Miha Zarabec einen neuen, starken Spieler für Rückraum Mitte bekommt, dass Melsungen mit Reichmann, Kühn und Lemke gleich drei deutsche Nationalspieler verpflichtet hat, und dass auch Mannschaften wie Magdeburg und Berlin, oder auch Wetzlar und Göppingen, zu beachten sind – und natürlich auch die SG Flensburg-Handewitt, trotz Trainerwechsel – so wird die Mission Titelverteidigung kein leichtes Unterfangen. Ob ich es den Löwen dennoch zutraue, den dritten Meistertitel in Serie zu holen? Nach der nicht unbedingt erwarteten Titelverteidigung in dieser Saison – ja, absolut! Der Top-Favorit auf die Meisterschaft sind die Löwen für die nächste Saison jedoch (erneut) nicht. Mein Tipp: Platz 3, mit dem ich übrigens sehr gut leben könnte. Aber lassen wir uns überraschen. Die “Gelbe Wand” – und der Rest der SAP Arena – wird jedenfalls hinter den Löwen stehen!