Ein Final 4, null deutsche Teams – und nun?

      Kommentare deaktiviert für Ein Final 4, null deutsche Teams – und nun?

Die letzten Tage war es hier sehr ruhig, denn meine andere große Leidenschaft – American Football – hatte mit dem Draft einen Höhepunkt zu bieten. Und wenn man sich, wie ich, gerne und ausführlich damit beschäftigt, bleibt nicht viel Zeit für anderes. Dass das diesjährige Champions League Final 4 in Köln ohne deutsche Beteiligung statt findet habe ich aber trotzdem mitbekommen. Dass dies ein Super-GAU sein soll kann ich jedoch nicht sehen.

Zunächst zu den harten Fakten. Mit HC Vardar Skopje, Telekom Veszprém, Paris St-Germain Handball und FC Barcelona Lassa setzt sich das Teilnehmerfeld des Final 4 erstmals nur aus nicht-deutschen Mannschaften zusammen.  Wer sich die Tabellen der Gruppenphase anschaut sieht, dass Barcelona, Paris und Veszprém in Gruppe A auf den Plätzen 1-3 landeten und Vardar Gruppe B gewinnen konnte. So gesehen haben sich die Topmannschaften der Gruppenphase durchgesetzt. Das verspricht für Köln zumindest spannende Spiele. Ob diese dann auch hochklassig sind bleibt natürlich abzuwarten.

Die Rhein-Neckar Löwen hatten sich bereits im Achtelfinale gegen den THW Kiel verabschiedet. Dass die Löwen schlechter waren kann man sicher nicht behaupten, aber der THW konnte hier mit einer Energieleistung die Löwen, die nicht ganz ihre Topform erreichten, ausschalten. Nicht zuletzt, weil mit Weinhold und Duvnjak zwei angeschlagene Spieler starke Leistungen abrufen konnten und ihr Team mitgezogen haben. Im Viertelfinale war dann aber auch für den THW Endstation. Zwar gewannen die Kieler das Hinspiel noch mit 28:26 gegen Barcelona, aber im Rückspiel hatten sie mit 18:23 das Nachsehen. Schon zwei Tage vorher hatte die SG Flensburg-Handewitt die Segel streichen müssen. Es war gegen Vardar Skopje eine recht deutliche Angelegenheit. Schon im Hinspiel gab es eine 24:26 Niederlage, wobei es zwischenzeitlich noch düsterer aus sah. Das Rückspiel war dann eine klare Angelegenheit: mit dem 35:27 schaffte Vardar erstmals den Sprung nach Köln.

Nun gibt es also zum ersten Mal, seit das Final 4 in Köln ausgetragen wird, keine deutsche Beteiligung. Bei den bisherigen sieben Ausgaben des Final 4 war immer mindestens eine deutsche Mannschaft vertreten. Im Einzelnen (in Klammern die Platzierung):

  • 2010 – THW Kiel (1.)
  • 2011 – HSV Hamburg (3.), Rhein-Neckar Löwen (4.)
  • 2012 – THW Kiel (1.), Füchse Berlin (4.)
  • 2013 – HSV Hamburg (1.), THW Kiel (4.)
  • 2014 – SG Flensburg-Handewitt (1.), THW Kiel (2.)
  • 2015 – THW Kiel (4.)
  • 2016 – THW Kiel (4.)
  • 2017 – keiner

Insgesamt sind es also 11 deutsche Teilnahmen: Kiel (6, davon 2x Champions League Sieger), Hamburg (2, davon 1x Champions League Sieger), Flensburg-Handewitt (1, davon 1x Champions League Sieger), Rhein-Neckar Löwen und Füchse Berlin (jeweils 1, kein Titelgewinn). Bereits in den letzten beiden Spielzeiten hatte sich angedeutet, dass es für die deutschen Mannschaften immer schwerer wird, das Final 4 zu erreichen und dort dann auch zu bestehen. Die Gründe dafür sind vielfältig, und meiner Beobachtung nach werden diese drei Gründe besonders oft genannt:

  • zu viele schwere Spiele in der DKB HBL
  • nur 14 Spieler in den Spielen der DKB HBL erlaubt
  • ausländische Vereine können sich auf die Champions League konzentrieren wegen geringer Konkurrenz in der heimischen Liga

Kurz was zu den einzelnen Punkten. Fangen wir damit an, dass in der DKB HBL zu viele schwere Spiele zu bestreiten sind. Wenn man sich anschaut, wie die Top-Mannschaften der Liga gegen die anderen Teams abschneiden ergibt sich ein klares Bild: nur wenige Spiele werden verloren, Siege mit +10 Toren oder mehr kommen immer wieder mal vor. Was die Statistik aber nicht hergibt ist die Tatsache, dass es sich normalerweise kein Champions-League-Teilnehmer leisten kann, ein Spiel in der DKB HBL mit halber Kraft oder mit einer besseren A-Jugend – überspitzt formuliert – anzugehen. Teilweise steckt auch in einem Sieg mit +10 Toren einiges an Aufwand dahinter, bis der Gegner mal auf Distanz gebracht wurde. So richtig selten ist es meinem Empfinden nach nicht, dass das Ergebnis erst gegen Ende hin richtig deutlich wird. Für die Liga ist das an sich etwas Gutes: das verspricht zumindest phasenweise Spannung, und Überraschungen sind nicht gänzlich ausgeschlossen (wenngleich auch sehr selten).

Dass in der DKB HBL nur 14 statt der bei Länderspielen oder Partien der EHF Champions Legaue 16 Spieler erlaubt sind ist schade. Allerdings: nutzen die Trainer die Möglichkeit, 14 Spieler einzusetzen, immer aus? Sicher nicht. Dennoch: mit 16 Spielern wäre die Hemmschwelle, 14 Spieler einzusetzen, wahrscheinlich geringer, denn ich hätte immer noch zwei Spieler, die ich bringen kann. Aktuell ist bei 14 Spielern Schluss. Da lässt man sich eventuell lange die Möglichkeit offen, wen man als 14. Spieler nominiert.

Völlig unbestreitbar haben ausländische Vereine wie Veszprém, Kielce, Paris und vor allem Vardar und Barcelona den großen Vorteil, dass alles auf die EHF Champions League ausgerichtet ist. OK, Vardar und Veszprém spielen auch noch in der SEHA-Liga, aber dennoch ist deren Belastung um einiges niedriger als die der deutschen Vereine. Veszprém hat mit PICK Szeged einen einigermaßen ernst zu nehmenden Konkurrenten in der eigenen Liga, Kielce kann Spiele gegen Wisla Plock sicher nicht auf die leichte Schulter nehmen, und Paris muss zumindest die Spiele gegen Montpellier, Nantes und vielleicht auch gegen St. Raphael ernst nehmen. Dennoch: alle Ligen außer der DKB HBL haben weniger Mannschaften. Nur zur Klarstellung: Die Diskussion, ob die DKB HBL verkleiner werden sollte, werde ich hier nicht führen. Fakt ist halt, dass es in Deutschland mehr Spiele in der nationalen Liga gibt als anderswo.

Man stelle sich vor, die Löwen und/oder der THW hätten dieses Jahr das Final 4 in Köln erreicht. Das findet am 03./04.06. statt. Am 31.05. – KEIN Witz! – spielen die Löwen zuhause gegen den THW. Es ist für beide das drittletzte Spiel der DKB HBL-Saison. Wie es derzeit aussieht kann das für beide Mannschaften ein enorm wichtiges Spiel sein, was die Meisterschaft bzw. die Qualifikation für die EHF Champions League angeht. So ein Spiel drei Tage vor dem Final 4? Die anderen Teilnehmer würden sich vor Lachen ausschütten, denn die haben in der Woche vor dem Final 4 garantiert keine Spiele, und schon gar keine von diesem Kaliber.

Nun denn, es ist, wie es ist, und das diesjährige Final 4 findet ohne deutsche Beteiligung statt. Ist das jetzt, um auf den Anfang zurück zu kommen, wirklich so schlimm? Es ist oft die Rede davon, dass die selbsternannte stärkste Liga der Welt den Anspruch haben muss, mindestens einen Vertreter zum Final 4 zu entsenden, und dass dieser Vertreter die Chance haben sollte, dort auch zu gewinnen. Da bin ich durchaus dabei, aber wenn das mal nicht klappt, so wie dieses Jahr, dann ist das eben so. Für mich ist das kein Beinbruch. Ich habe meine Tickets und gebe die nicht ab, nur weil kein deutsches Team dabei ist. Dass andere durchaus anders handeln ist mir bewusst. Aber das muss jeder mit sich selbst abmachen. Wenn natürlich die Kieler z.B. am 03.06. um 19 Uhr in einem Spiel der DKB HBL zuhause gegen den HC Erlangen antreten, während gleichzeitig das zweite Halbfinale in Köln noch läuft – dann fällt mir nicht viel dazu ein. Ich denke, dass es sowas mit Sky als TV-Partner der DKB HBL nicht mehr geben wird.

Wie sieht es nun mit anderen, “neutralen” Fans aus? Wir haben in Köln in den letzten Jahren manche Fans immer wieder gesehen und mit denen geredet. Man kennt sich ein wenig, freut sich, den anderen wieder zu sehen, fachsimpelt ein wenig über Handball und freut sich vor allem auf vier tolle Spiele mit den vier stärksten Handballmannschaften Europas. Und auf die Fans aus anderen Ländern. Es wird sicher interessant sein zu beobachten, ob Plätze leer bleiben. Zwar sind insbesondere die ungarischen Fans und wohl auch die aus Mazedonien sehr reisefreudig und werden gerne noch frei werdende Tickets übernehmen. Reicht das aber, alle Karten von denjenigen aufzukaufen, die nicht nach Köln fahren, weil “ihr” Verein nicht dabei ist? Das wird man abwarten müssen. Ich persönlich lasse mich davon nicht abhalten, bin aber dennoch froh, dass die Löwen nicht parallel spielen.

Wären die Auswirkungen nächstes Jahr größer, wenn sich erneut kein deutsches Team qualifizieren sollte? Es ist zwar noch lange hin, aber das wäre aus meiner Sicht durchaus denkbar. Ich selbst habe da eine andere Einstellung: ich will Spitzenhandball sehen, den Kampf um die Krone im europäischen Vereinshandball. Und ich möchte Teams sehen, die ich eventuell das ganze Jahr nicht live in der Halle gesehen habe, so wie dieses Mal Barcelona, Paris und natürlich Veszprém. Ob da ein deutsches Team dabei ist interessiert mich weniger. Was passieren kann: sollten dieses Jahr wirklich Plätze leer bleiben und sollte sich das nächstes Jahr wiederholen, vielleicht sogar verstärken, dann befürchte ich, dass eine Fortsetzung des Final 4 in Köln unwahrscheinlicher wird. Noch läuft der Vertrag bis 2020. Allerdings ist die Austragung 2018, 2019 oder 2020 in einer anderen Stadt möglich. Ob das schon 2018 der Fall sein wird? Bisher habe ich jedenfalls noch nicht gelesen, wann das Final 4 nächstes Jahr stat finden soll.

Und nun? Es bleibt natürlich abzuwarten, wie sich die Tatsache, das kein deutsches Team beim Final 4 sein wird, auswirkt. Ich selbst sehe es nicht als tragisch an und hoffe, dass genügend Handballfans die Gelegenheit nutzen, auch dieses Final 4 zu einem friedlichen und fröhlichen Handballfest zu machen. Ich werde jedenfalls mit einem Trikot der Rhein-Neckar Löwen und mit einem Schal von Veszprém am Start sein.

Noch 32 Tage …