Die magische Zahl: 7

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Zur Erinnerung: Zu Beginn der laufenden Saison wurde die Regel bezüglich des siebten Feldspielers geändert. Musste vorher ein Feldspieler, der für den Torwart eingewechselt wurde, ein Leibchen überziehen, so ist dies nun nicht mehr zwingend erforderlich. Hatte der siebte Feldspieler das Leibchen an durfte er ins Tor, wenn ein Wechsel mit dem eigentlichen Torwart nicht mehr machbar war (siehe “Schmid gegen Svan”). Ohne Leibchen darf keiner der sieben Feldspieler ins Tor, dafür darf aber jeder beliebige Feldspieler raus, damit der Torwart wieder rein kann. Früher musste der Feldspieler mit dem Leibchen raus, damit der Torwart wieder auf die Platte durfte.

Befürworter der neuen Regelung betonten und betonen immer noch, dass die taktische Flexibilität erhöht wurde. Früher war es ja fast immer so, dass der Spieler mit dem Leibchen relativ früh raus ging. Anders gesagt: ein Spieler mit Leibchen warf nahezu nie auf das Tor (Ausnahme: Andy Schmid). Ich erinnere mich an ein Spiel des THW Kiel in Mannheim, bei dem Christian Sprenger mit Leibchen rein kam, sich an den Kreis stellte und nach ca. 10-15 Sekunden wieder vom Feld ging. Nun weiß der Gegner nicht, wer letztlich auf das Tor werfen wird, denn jeder beliebige Spieler, der nicht an der Torwurfaktion beteiligt ist, kann zur Bank sprinten, damit der Torwart rein kann. Was ebenfalls von den Befürwortern der aktuellen Regel immer wieder angeführt wird ist, dass diese Neuregelung lediglich eine bereits sich entwickelnde Veränderung im Spiel in Regelform gegossen hat, nämlich die, dass Mannschaften in den letzten Jahren mehr und mehr dazu tendierten, vor allem bei Unterzahl den Torwart raus zu nehmen.

Der Einsatz des siebten Feldspielers ist für eine Mannschaft, die sich beim Sechs gegen Sechs schwer tut, eine Möglichkeit, vielleicht doch mehr Torchancen zu bekommen als bei “normalem” Spiel. Gerade bei Mannschaften aus dem unteren Drittel der Tabelle ist der siebte Feldspieler eine Möglichkeit, gegen stärkere Mannschaften den Leistungsunterschied zu verringern. Zudem kann der siebte Feldspieler dazu führen, dass die gegnerische Abwehr nicht mehr allzu offensiv decken kann. Eine 3:2:1 gegen sieben Feldspieler? Höchst gefährlich! Ich finde das schade, denn die unterschiedlichen Abwehrformationen waren doch gerade interessant. Jede Mannschaft, die mehr als nur eine Abwehrformation gut beherrscht, hat einen Vorteil. Meiner Meinung nach war genau diese Flexibilität der Abwehr ein wichtiger Grund, warum die Rhein-Neckar Löwen in der Saison 2015/16 die Meisterschaft holen konnten.

Dass bei einer Unterzahl der Torwart runter geht und ein Feldspieler kommt, ist ja nicht ungewöhnlich. Das konnte man in den letzten Jahren schon immer häufiger beobachten. Hier wird aber die Zeitstrafe gegen einen Spieler etwas entwertet, denn sobald die Mannschaft, die eigentlich in Überzahl ist, im Angriff den Torwart raus nimmt, ist die Situation eigentlich genauso wie ohne Zeitstrafe. Aber, wie gesagt: das ist nichts Neues. Unschön wird es in meinen Augen, wenn das leere Tor dazu führt, dass man Treffer aus 20, 30, 35 Metern Entfernung kassiert, weil einfach keiner da ist, der den Ball abwehren könnte. Wenn das einmal passiert – OK. Wenn das aber fünf oder sechs Mal in relativ kurzer Zeit passiert – so wie beim Gastspiel der Rhein-Neckar Löwen in Hannover – , dann ist das schlicht und ergreifend unattraktiv! Zumindest für mich. Kann das durch einen besseren Angriff aufgefangen oder gar vermieden werden? Wichtig: im Angriff musst du sicher spielen. Pass- und Fangsicherheit müssen auf hohem Niveau sein, überraschende – vor allem auch für die eigenen Mitspieler – Torwürfe sollten vermieden werden. Hier sind die Trainer und Spieler meiner Meinung nach noch in einer Experimentier- und Testphase. Auch wie man den zusätzlichen Kreisläufer am besten nutzt ist sicher noch nicht das Ende der Fahnenstange erreicht.

Wenn Spieler und Trainer eines Tages tatsächlich heraus finden sollten, wie der siebte Spieler wirklich effektiv eingesetzt werden kann, wird die Attraktivität des Handballs meiner Ansicht nach leiden. Will man wirklich einen Sport, bei dem die angreifende Mannschaft dauerhaft mehr Spieler hat als die abwehrende Mannschaft? In welcher Sportart ist das sonst noch der Fall? Für Hinweise bin ich dankbar, denn mir fällt gerade keine ein. OK, die Anzahl der Treffer ins verwaiste Tor des Gegners würden wahrscheinlich weniger werden, aber das würde die Situation aus meiner Sicht nicht retten.

Gäbe es eine Alternative? Klar: Der Torwart darf sich nur innerhalb des Torkreises bewegen, oder- was ich bevorzugen würde – nur bis zur Freiwurflinie. Damit hätte man immer eine Situation Sechs gegen Sechs, eine Zeitstrafe wäre wirklich eine Strafe, und nebenbei wären kritische Situationen durch Torhüter, die beim gegnerischen Tempogegenstoß weit aus dem Tor kommen und dadurch eventuell einen schweren Zusammenprall mit einem Spieler riskieren, ein Ding der Vergangenheit. Das wäre sicher eine radikale Abkehr von der bisherigen Praxis, aber ich persönlich fände das gut. Und wenn es wirklich zu radikal sein sollte wäre eine Rückkehr zur ursprünglichen Regelung – zusätzlicher Feldspieler immer mit Leibchen – auch nicht verkehrt.

Wie auch immer: das Thema wird uns höchstwahrscheinlich noch einige Zeit beschäftigen.